Gegen Sparmaßnahmen der Regierungen: Proteste in ganz Europa
Von Athen über Madrid, Dublin, Vilnius bis Brüssel: In zahlreichen europäischen Städten haben zehntausende Menschen gegen die geplanten Sparmaßnahmen ihrer Regierungen protestiert.
BRÜSSEL/MADRID dapd | In Spanien kam es am Mittwoch zum ersten Generalstreik seit acht Jahren. Der Ausstand bedeutete das Ende der traditionell engen Beziehung zwischen den spanischen Gewerkschaften und der sozialistischen Regierung des Landes. Anlass des spanischen Generalstreiks waren die Sparmaßnahmen und Reformen der Regierung, die gegen die Wirtschaftskrise und ein Rekorddefizit kämpft. Eine Reform des Arbeitsmarkts erleichtert es den Unternehmen, Angestellte zu entlassen. Spanien kämpft derzeit mit einer Arbeitslosenquote von gut 20 Prozent, der höchsten in Europa.
In Brüssel folgten indes Zehntausende einem Aufruf europäischer Gewerkschaftsverbände, um gegen rigide Sparmaßnahmen in zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten zu protestieren. Kurz vor dem Start der ersten Demonstration drohte die EU-Kommission in einem Gesetzespaket mit verschärften Sanktionen, sollten die Regierungen ihre Sparbemühungen nicht fortsetzten. Der Gesetzentwurf wird von Deutschland unterstützt.
Proteste vor Brüsseler EU-Gebäuden
"Es ist ein merkwürdiger Zeitpunkt für die Kommission, neue Strafen zu verlangen", sagte der Chef des Europäischen Gewerkschaftsbundes (ETUC), John Monk, der Fernsehnachrichtenagentur APTN. "Das macht die Lage nicht besser, sondern nur noch schlimmer." Die Folgen der von Bankern und Spekulanten verursachten Krise hätten zu einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Die Gefahr sei groß, dass die Arbeiter die Zeche zahlen müssten, sagte Monk.
Protest mit Betonmischer gegen Bankenrettungen
Aus Protest gegen milliardenschwere Bankenrettungen mit Steuergeldern blockierte ein Demonstrant mit einem Betonmischer den Eingang zum irischen Parlament in Dublin. Der 41-jährige Fahrer wurde festgenommen. Auf dem Mischer stand in roten Großbuchstaben "Alle Politiker sollten gefeuert werden" und "Toxische Bank" neben dem Firmenzeichen der Anglo Irish Bank. Die Pleite-Bank hatte zweistellige Milliardenbeträge von ausländischen Banken geliehen, um in den irischen, britischen und amerikanischen Immobilienmarkt zu investieren. Sie wurde im vergangenen Jahr verstaatlicht und so vor dem Zusammenbruch bewahrt.
In der griechischen Hauptstadt Athen setzten Lkw-Fahrer unterdessen ihren seit zwei Wochen andauernden Protest gegen die geplante Liberalisierung des Speditionsgewerbes fort. Wegen einem Arbeiterstreik wurde der Athener Metro- und Straßenbahnverkehr stundenlang lahmgelegt. Landesweit kam es zu Beeinträchtigungen im Bahnverkehr. Griechische Krankenhausärzte legten für 24 Stunden ihre Arbeit nieder.
In Polen versammelten sich ungeachtet heftiger Regenfälle zahlreiche Arbeitnehmer in der Hauptstadt Warschau, um gegen ein Vorhaben ihrer Regierung zu protestieren, die Löhne einzufrieren und die Steuern anzuheben.
Auch im Baltenstaat Litauen kame es zu Protesten. Etwa 400 Demonstranten versammelten sich in der Hauptstadt Vilnius, um die Behörden aufzufordern, deren Sparmaßnahmen einzustellen. "Alle Arbeitnehmer Europas befinden sich heute auf den Straßen, um ihre Bestürzung über eine kurzsichtige Politik der Lohnkürzungen zum Ausdruck zu bringen", sagte der 40-jährige Ingenieur Vytautas Jusys, der vor einem Jahr seinen Arbeitsplatz verlor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!