: Gegen Kanonenboot-Politik
■ Zur Kritik von Michaela v. Freyhold an meinen Thesen zum Golfkrieg, taz v. 1.9.+6.9.
Auch von Professorinnen kann erwartet werden, daß sie den Gegenstand ihrer Kritik korrekt wiedergeben. Die Idee, die BRD sei von der Tradition großdeutscher Eroberungspolitik so weit entfernt, daß sie „jetzt wieder alles darf“, mag zu Helmut Kohl passen, zu mir jedenfalls nicht. „No germans to the front“ war eben kein zufälliger Titel, sondern die Konsequenz aus der Absage an Krieg als Mittel der Politik.
Wer allerdings die Stationierung von UN-Truppen am Golf befürwortet (v. Freyhold) und damit eine militärische Rolle der vereinten Nationen als globale „task force“ akzeptiert, wird sich einer Teilnahme von Bundeswehr-Einheiten an solchen Missionen auf Dauer kaum widersetzen können, auch nicht mit dem Verweis auf Geschichte und Grundgesetz. Die Verfassung läßt sich ändern und wird voraussichtlich mit dem Segen der SPD geändert werden. Und international wird kaum jemand die Beteiligung bundesdeutscher Soldaten an „Befriedungsaktionen“ der UNO als Fortsetzung großdeutscher Eroberungspolitik mit anderen Mitteln interpretieren. Wer diese Schwelle trotzdem nicht überschreiten will, muß seine Gründe notgedrungen in der Gegenwart suchen.
Die Stationierung von UN-Truppen in Saudi-Arabien oder im Golf setzt die Bereitschaft zum Krieg voraus — sonst funktioniert die Abschreckung nicht. In jeder militärischen Antwort auf die irakische Expansionspolitik lauert eine Entfesselung von Massenvernichtungsmitteln, die den Gedanken eines „gerechten Krieges“ vollends absurd macht. statt die UNO als Machtinstrument der Industriemetropolen gegen die verarmenden Massengesellschaften des Südens einzusetzen, müßten wir alles dafür tun, sie in ein Forum des Interessensausgleichs zu verwandeln.
Diesseits aller weltpolitischen Sandkastenspiele wäre es schon viel, wenn wir eine nachdrückliche öffentliche Opposition gegen die Rückkehr zur Kanonenboot- Politik auf die Beine bekämen. Sonst löst sich die erhoffte „Friedensdividende“ aus dem Ende der Ost-West-Konfrontation in Luft auf, noch bevor die erste Rate ausgezahlt wurde. Ralf Fücks
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen