Gegen Gentrifizierung: Hohe Mieten wegfeiern
Auch mittelmäßige Wohnungen werden in vielen Städten immer teurer. Aus Protest dagegen sprengen Aktivisten Besichtigungen – mit Sekt, Konfetti und Flugblättern.
Die Wohnung ist wirklich nicht der Hammer. 50 Quadratmeter Wohnfläche, zwei mäßig brauchbar geschnittene Zimmer, ein Keller, eine Küche, die mehr Kochnische im Flur ist, und die Übergänge zwischen den Zimmern so eng, dass kaum zwei Menschen aneinander vorbeipassen. Trotzdem wollen die Vermieter 710 Euro monatlich für die "charmante komplett renovierte Wohnung". Kaltmiete. Wasser, Heizung, Strom, all das kommt noch dazu. Weil das ziemlich viel Geld für ziemlich wenig Wohnung ist, wird hier, in der Langenfelder Straße in Hamburg, statt des offiziellen Besichtigungstermins heute eine Party stattfinden.
Eine halbe Stunde vorher haben sich rund zwanzig Leute auf einem benachbarten Platz eingefunden. Einige von ihnen sind elegant gekleidet: Jacketts und Westen, lange Spazierschirme, die Frauen in kniebedeckenden Röcken. So stand es in der Einladung. Denn bei der Besichtigung soll nicht sofort auffallen, dass hier etwas aus dem Ruder läuft.
"O. k., wir gehen jetzt mal kurz den Ablauf durch", ruft Björn Rosteck* in die Menge. Der Plan: Zwei Leute gehen vor, zwei weitere gehen mit, um die Tür offen zu halten, und der Rest kommt auf ein Zeichen hinterher. Die Aktivisten nicken, dann geht es los.
Auf dem Weg erklärt Organisator Rosteck den Hintergrund der Aktion. Es geht um Gentrifizierung, die Aufwertung von Stadtteilen, um bezahlbaren Wohnraum, um die Frage: Wem gehört die Stadt? "Ein Freund von mir ist Arzt, der wäre auch bereit, ein bisschen mehr für eine Wohnung zu zahlen. Aber selbst er findet nichts mehr", sagt Rosteck. Und da müsse man sich vorstellen, wie es erst Studenten oder Arbeitslosen, Alleinerziehenden oder Großfamilien geht. Ein Aktivist in Handwerkerweste schaut über Rostecks Schulter, auf den Zettel mit dem Wohnungsangebot. "710 Euro kalt? Das sind 1.400 für den Makler, na wir hams ja", sagt er.
Maskiert zur Besichtigung
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Rosteck nickt. "Ich glaube, das ist etwas, das sich in vielen Städten abspielt - wenn auch mit unterschiedlicher Intensität." Wohnungssuchende erzählen, dass mittlerweile sogar Makler über die hohen Mieten klagen: Weil die künftigen Mieter keine Lust auf zusätzliche Kosten haben, würden Wohnungen zunehmend unter der Hand weitergegeben, etwa über private Anzeigen und Online-Netzwerke. Die offiziellen Zahlen zeigen außerdem einen Rückgang der Umzüge.
Die Idee, mit Partys Wohnungsbesichtigungstermine zu sprengen und damit gegen steigende Mieten zu protestieren, kommt aus Frankreich. "Jeudi noir" nennen die Aktivisten ihre Aktionen dort, schwarzer Donnerstag. Am Donnerstag erscheinen in den Pariser Zeitungen die Wohnungsanzeigen. Mittlerweile gab es derartige Aktionen in Zürich, Berlin und eben auch in Hamburg, hier unter dem Namen "Fette-Mieten-Party".
Zurück zum Hamburger Besichtigungstermin. Eine junge Frau und ein junger Mann gehen vor. Er im dunkelgrauen Hemd, sie mit eleganter Jacke, ganz das erfolgreiche Pärchen, das sich die geforderte Miete leisten kann. Währenddessen drücken sich die restlichen Aktivisten in eine Hauseinfahrt. Jetzt bloß nicht auffallen und Misstrauen erregen. Verstohlen setzen sie Masken auf, stecken Konfettibeutel in die Hosentaschen. Einige schauen hektisch auf ihr Handy, andere unterhalten sich über ihre letzte Wohnungsbesichtigung - zum Wohnen, nicht zum Protestieren. Dann kommt endlich das Signal.
Dialog gesucht
Als die ersten Aktivisten die Wohnung betreten, hält die junge Maklerin noch ihren professionellen Gesichtsausdruck aufrecht. Mit souveränem Lächeln auf den Lippen und einer grünen Mappe in der Hand steht sie zwischen Kochecke und Flur. Erst nach und nach scheint ihr zu dämmern, dass das heute keine Wohnungsbesichtigung nach Plan wird. Die 50 Quadratmeter füllen sich, und auf einmal steigt zwischen Laminat und weiß gestrichenen Wänden eine Party. "Our House" von Madness dröhnt aus den mitgebrachten Boxen durch die leeren Räume. Becher und Sektgläser werden verteilt, ein Korken knallt, Luftschlangen und Konfetti fliegen. Eine Aktivistin wirbelt Flugblätter umher.
Mittendrin steht die Maklerin, eingefrorenes Lächeln, die Mappe krampfhaft umklammert. Flugblätter, die sie immer wieder angeboten bekommt, lehnt sie kurz angebunden ab. "Ich weiß nicht, was das hier bringen soll, aber solange nichts beschädigt wird, toleriere ich es", sagt sie. Ihre Stimme klingt angestrengt höflich und unnatürlich hoch. Am Fenster wird Sekt nachgeschenkt.
"Unsere Party ist dann erfolgreich, wenn wir mit den Leuten ins Gespräch kommen", sagt Rosteck. Insofern ist heute nicht viel zu holen. Die Maklerin mauert, Wohnungssuchende scheinen - so sie überhaupt da waren - schnell das Feld geräumt zu haben. Immerhin: Nachdem der Maklerin offenbar klar geworden ist, dass die Aktivisten weder das Laminat zerkratzen noch die Wände einreißen werden, entspannt sich ihr Gesicht etwas. Nach gutem Zureden lässt sie sich sogar noch ein Flugblatt geben und notiert den Namen der Bewegung: "Droit au logement" - das Recht auf Wohnen.
Nach einer Viertelstunde ist alles vorbei, die Aktivisten verlassen die Wohnung. Eine Frau steckt noch Flyer in die Briefkästen im Hausflur. Zurück in der Wohnung bleiben Flugblätter auf dem Boden, Luftschlangen über den Heizungen, ein einsamer Plastikbecher ohne Sekt und etwas buntes Konfetti auf dem Jackett der Maklerin.
* Name geändert
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