Gegen Gentrifizierung II: Auf Busfang
Die Jahrestagung der Immobilienwirtschaft im Ritz-Carlton-Hotel am Potsdamer Platz begleiten mehrere hundert Menschen mit lautem Protest gegen steigende Mieten.
Die Fronten sind klar: Makler und Investoren kommen hinter der glänzenden Fassade des Ritz-Carlton-Hotels am Potsdamer Platz zur Jahrestagung der Immobilienwirtschaft zusammen – keine drei Kilometer weiter am Mehringplatz sammeln sich Hunderte Menschen unter dem Motto „Keine Rendite mit der Miete“. Mit der Demo, die sich am Montag gegen 16 Uhr von dort in Richtung Potsdamer Platz in Bewegung setzt, protestieren sie gegen Mietsteigerung, Verarmung und Verdrängung. Die Tagungsgäste hingegen sprechen von einem „Positivtrend bei Wohnimmobilien“.
Studierende und WohnungsbesetzerInnen sind dem Aufruf eines breiten Bündnisses aus politischen Gruppen und Kiezinitiativen ebenso gefolgt wie gut situierte Damen. Ein älteres Ehepaar empfindet die Teilnahme an der Demo als Selbstverständlichkeit: „Weil wir alle zwei Jahre eine Mietpreiserhöhung bekommen“, sagt der Mann. „Der Senat hat die Stadt zum Ausverkauf freigegeben.“
Per Bus sollen die Kongressgäste zum Abendessen in die Kulturbrauerei chauffiert werden – als sie aus dem Hotel kommen, werden sie von den Demonstrierenden mit einem Pfeifkonzert und Plakaten empfangen, auf denen „Fang den Bus!“ steht. Das ist Programm: Als der Bus vorfährt, versuchen Grüppchen von Demonstrierenden, die Abfahrt mit Blockaden zu verhindern. Im plötzlich einsetzenden Sturzregen kommt es zu Rangeleien, die Polizei lässt die Luft aus den Fahrradreifen einiger Demonstrierender. Eine Frau, die mit einer Wasserpistole schießt, wird festgenommen.
Vor der Hotellobby steht auch Matthias Stürmer, der als Redner zur Tagung eingeladen war und nun als „Immobilienhai“ beschimpft wird. Er könne die Empörung verstehen, sagt er – nur sei die energetische Sanierung, um die es bei der Tagung gegangen sei, nicht für die hohen Mieten verantwortlich.
Mit knapp zwei Stunden Verspätung, eskortiert von mehreren Einsatzwagen der Polizei und von Farbbeuteln getroffen, schafft es der Bus schließlich zur Kulturbrauerei. Die Polizei spricht später von acht verletzten Beamten, die Demonstranten beklagen das ruppige Vorgehen bei der Räumung der Blockaden. Als die Kongressgäste unter Polizeischutz aus dem Bus steigen, sagt ein Demonstrant grinsend: „Das Essen ist wohl schon kalt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen