: Gefühlte Champions
Die deutsche Eishockey-Meisterschaft geht in die entscheidende Phase. Titelverteidiger Eisbären Berlin ist bereits ausgeschieden. Jetzt gelten die Adler Mannheim als Favorit für die Play-offs
AUS BERLIN JOHANNES KOPP
Eigentlich geht es erst morgen richtig los. In der Deutschen Eishockeyliga (DEL) beginnen die Playoffs. Acht Teams ermitteln im K.-o.-System den Deutschen Meister. Im Nachhinein wird man aber vielleicht resümieren, dass sich das Bemerkenswerteste dieser Saison bereits am Dienstagabend dieser Woche ereignet hat. Der Titelverteidiger, die Eisbären Berlin, verloren in der entscheidenden Partie um den letzten Playoff-Platz mit 0:6 bei den Frankfurter Lions. Ein Desaster – spiegelbildlich für die gesamte Spielzeit der Berliner.
Das leistungsstärkste und konstanteste Team der letzten drei Jahre (drei Finalteilnahmen, zwei Meistertitel) rangierte am Ende der Doppelrunde auf dem neunten Platz. Das hätte in der Vergangenheit bereits das Saisonende bedeutet. Dieses Jahr wurden aber erstmals die Pre-Playoffs zwischen Rang sieben und zehn ausgetragen. Die Eisbären vergaben jedoch auch diese letzte Chance kläglich, durch einen Sieg gegen Frankfurt noch zum Kreis der acht Playoff Teams vorzustoßen.
„Die Spieler haben sich als Champions gefühlt“, bemerkte Trainer Pierre Pagé am Dienstag kritisch, „aber sie haben nicht nachgewiesen, dass sie Champions sind.“ Eine typische Pagé-Äußerung in dieser Saison. Nach Niederlagen vermochte er es selten, ein Wir-Gefühl aufzubauen. Schuld waren wahlweise die Spieler, der Manager John Lee, dem er schlechte Personalpolitik und Terminplanung vorwarf, oder der Konditionstrainer. Das erzählte er fast jedem – gefragt und ungefragt. Er selbst schien außerhalb des Vereins und der Verantwortung zu stehen. Sein Ende Februar verkündeter Abschied bei den Eisbären hat gewiss viel mit diesem mangelnden Zugehörigkeitsgefühl zu tun. Pagé räumt freimütig ein, sich mit seiner öffentlichen Vereinsschelte falsch verhalten zu haben. „Ich will eben immer unbedingt gewinnen“, erklärt der Kanadier. Er führt seinen Ehrgeiz als Grund für die klubinternen Reibereien an. Pagé sieht sich nicht mehr auf einer Wellenlänge mit Manager Lee. Für die Resultate auf dem Eis wollte und will er nicht mehr seinen Kopf hinhalten. Die Selbstzerstörungskräfte in der Führungsetage der Eisbären haben maßgeblich zum schlechten Abschneiden des Teams beigetragen. Stürmer Stefan Ustorf sagt, diese Zwistigkeiten seien nicht spurlos an den Spielern vorbeigegangen.
Die Berliner sind tief gefallen. Dabei dachten einige im Verein, dass ihnen die Zukunft gehöre. Die letzten beiden Meistertitel erkämpfte man sich mit dem jeweils jüngsten Team der Liga. Der gefüllte Trophäenschrank engte jedoch offenbar den Blick für die Realitäten etwas ein. Die Konkurrenz folgte den Eisbären schließlich dicht auf den Fersen.
Aufgrund dieser Leistungsdichte stellen sich in der DEL schnell Achterbahngefühle ein. Die Adler Mannheim sind das beste Beispiel dafür. Letztes Jahr konnte sich das Team zur Schadenfreude der anderen trotz des höchsten Etats nicht für die Playoffs qualifizieren. Diese Saison haben sie die Liga dominiert und gelten als erster Anwärter auf den Meistertitel. Die Mannheimer treten morgen im Viertelfinale zu Hause gegen die Frankfurter Lions, an. Gespielt wird nach dem Best-of-Five-Modus.
Der Mannheimer Trainer Greg Poss zieht eine positive Zwischenbilanz: „Das Eishockey ist schneller geworden und taktisch ausgereifter.“ Auch der DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke sieht die Liga auf einem guten Weg: Es seien so viele Zuschauer wie noch nie in die Hallen geströmt. Es kamen knapp über 6.000 Zuschauer im Schnitt. Poss verschweigt allerdings auch die negative Entwicklungen nicht. Vor dieser Spielzeit hat man zugunsten der wirtschaftlichen Planungssicherheit den Abstieg aus der DEL abgeschafft. Kurz vor Saisonende verkauften nun die am Tabellenende abgeschlagen stehenden Teams aus Duisburg und Augsburg ihre besten Spieler, um Gehälter einzusparen. Die Zuschauer blieben aus. Aber das Entscheidende ist, wie Poss festhält: Es kam dadurch zu einer Wettbewerbsverzerrung. Das sportliche Geschehen interessierte die Schlusslichter nicht mehr. Duisburg entwickelte einen ganz eigenen Ehrgeiz: Dort wurde am letzten Spieltag der 48 Jahre alte Torwarttrainer Karel Lang eingewechselt. Der älteste DEL-Spieler sollte ein Duisburger sein.