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Gefühlskarussell in der BundesligaJubel, Trubel, Eierkuchen

Warum gibt es denn kein Wort für voreilige Freude, der die große Ernüchterung folgt? Es gibt doch auch Fußball.

Vorzeitiger Freude: Augsburgs Mergin Berisha (r.) ahnte noch seinem Treffer nicht, was kommen sollte Foto: Stefan Puchner/dpa

F reude, Vorfreude, Freudenfest, Freudentränen, Freudentaumel, freudestrahlend – wie diese kleine Auswahl zeigt, gibt es eine Menge deutscher Wörter, mit denen der Zustand großer Entzückung beschrieben werden kann. Gut, und natürlich die Schadenfreude, die aber an diesem Spieltag nicht angebracht ist und deswegen ignoriert wird.

Was es dagegen nicht gibt, ist ein Wort für voreilige Freude, der große Ernüchterung folgt. Das ist erstaunlich, denn schließlich wird in Deutschland seit 1874 Fußball gespielt. Voreilige Freude geht so: Irgendwann nach dem Anpfiff fällt ein Tor, und alle stellen sich an, als ob das Spiel sofort danach abgepfiffen wird. Fans fallen einander höchst beglückt und derart wahllos in die Arme, dass die Umarmung durchaus den Blödmann oder die Blödfrau vom spießigen Deppenfanklub treffen kann, vollkommen egal, Toooooor!

Der Stadionsprecher annonciert den Treffer wie den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft, während die örtliche Prominenz wohlwollend klatscht. Und der Torschütze läuft außer sich vor Ekstase ungeordnet über das Spielfeld, gern auch mit über den Kopf gezogenem Trikot, prallt aber meistens nicht mit anderen Spielern, Kameras oder der Bande zusammen, was für sich betrachtet noch einmal ein separater Grund zu Freude ist.

Solche Szenen werden nur wenig später für grenzenloses Mitleid (oder Schadenfreude, aber – wie gesagt – die ignorieren wir ja heute) sorgen, wenn die 1:5-Niederlage des ursprünglich so bejubelt in Führung gegangenen Vereins noch einmal in all ihrer ganzen Pracht im Fernsehen vorgeführt wird.

Grundkurs Coolness für Augsburg

Eigentlich wäre es schon sinnvoller, mit dem Freudengetaumel zu warten, bis der Glücksgrund auch wirklich eingetreten ist, aber Menschen freuen sich halt einfach gern, und deswegen wird auch weiterhin zum Beispiel nach Wahlen und Toren gefeiert, obwohl das tatsächliche Ende nicht absehbar ist.

Womit wir zum FC Augsburg kommen, einem Verein, gegen den nicht sehr viel vorliegt, außer in der Zweitliga-Saison 1982/83 den MSV Duisburg gleich zweimal geschlagen zu haben, aber andererseits stieg Augsburg damals zur Strafe gleich wieder in die Bayernliga ab, und man soll ja nicht allzu nachtragend sein.

Was war das für eine große Freude nach den drei Toren. Aber nur bis zur gelb-roten Karte, nach der das Unglück seinen Lauf nahm. Nun soll der FCA lernen, cool zu sein, erklärte Geschäftsführer Stefan Reuter nach dem 3:3, was eine interessante Vorstellung ist, so ein Grundkurs Coolness für absolute Anfänger, denn voreilig gefreut wird sich mutmaßlich auch weiterhin.

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Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
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