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Gefragtes Zuchtmaterial

■ Die ökonomische Bedeutung der Nebenprodukte ist eher marginal

John Major spricht vom „nationalen Interesse“ und erweckt den Eindruck, als sei die halbe Insel in der Gelatineindustrie beschäftigt. Tatsächlich sind nach Auskunft des europäischen Dachverbands der Gelatinehersteller etwa 500 Menschen in drei englischen Fabriken mit der Produktion des geschmacklosen Verdickungsmittels beschäftigt.

Neben den Marktführern Deutschland und Frankreich kann die britische Gelatineindustrie etwa 10 Prozent der europäischen Gesamtproduktion für sich verbuchen. Dies entspricht einem Jahresumsatz von gerade mal 100 Millionen Mark.

Die britischen Gelatinearbeiter sitzen derzeit auch keineswegs tatenlos in ihren Werkshallen. Was kaum bekannt ist: Britische Rindergelatine darf durchaus exportiert werden – wenn sie aus importierten Häuten und Knochen hergestellt wird. Teilweise führen die Fabriken aus Südamerika ein, weil aufgrund der gesunkenen Fleischnachfrage Haut und Knochen in Europa knapp geworden sind. Verbunden ist diese Änderung der Einkaufspolitik immerhin mit gravierenden Zusatzkosten.

Über die Bedeutung der britischen Talgindustrie war dagegen nur wenig zu erfahren. Der Geschäftsführer des europäischen Verbands der tierfettverarbeitenden Industrie war zu keinerlei Auskünften bereit. Der Mann hat schlicht Angst um seinen Job. „Schließlich haben wir auch britische Mitgliedsverbände“, so seine Begründung. Größere Relevanz dürfte die Ausfuhr von Rinderembryonen und -spermien als Zuchtmaterial gehabt haben. Nach Angaben aus deutschen Delegationskreisen seien bestimmte britische Rindersorten (etwa Aberdeen Angus und Jersey) echte Exportschlager gewesen.

Wenn man aber überhaupt ökonomische Motive gelten lassen will, dann dürfte erst die Bedeutung der britischen Fleischindustrie als Ganzes Majors Konfrontationsstrategie erklären können. Einen Zeitplan für die völlige Aufhebung des Exportverbots dürfte er allerdings viel schwieriger bekommen, als die Lockerung des Embargos für die drei relativ unbedeutenden Nebenprodukte. Christian Rath

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