Geflügel-Lobbyismus: Massenmast ist nicht gemeinnützig
Niedersachsens Geflügelwirtschaftsverband hat sich als gemeinnützig ausgegeben, erweist sich aber als Sprachrohr für die Branchenriesen - mit Hang zur Drohgebärde.
OLDENBURG taz | Auch in Niedersachsen ist Massenmast nicht gemeinnützig: In Folge von taz-Recherchen hatte der NGW Niedersächsische Geflügelwirtschaft – Landesverband e.V. am Donnerstagnachmittag das Finanzamt Oldenburg und die niedersächsische Oberfinanzdirektion vom Steuergeheimnis teilweise entbinden müssen. Ergebnis: „Der Interessensverband ist weder als gemeinnützig anerkannt noch hat er die Gemeinnützigkeit je beantragt“, so der Sprecher des Oldenburger Finanzamts, Christian Kläne, zur taz. Eine Spendenbescheinigung darf er daher nicht ausstellen.
Eine einschlägige Selbstbezeichnung des NGW hatte zuvor für Kopfschütteln bei Steuerfachleuten und für Empörung im politischen Raum gesorgt (taz berichtete). „Das wäre ein Hohn“, hatte der landwirtschaftspolitische Sprecher der niedersächsischen Grünen-Fraktion, Christian Meyer, Zweifel angemeldet. „Wir nehmen den NGW als reinen Lobbyverband der Agrarindustrie wahr – eine Anerkennung kann nicht rechtens sein.“
In diesem Sinne hatte zuvor Eckehard Niemann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) den NGW als „eher gemeinschädlich denn gemeinnützig“ bezeichnet – und die vermutete Anerkennung einen Skandal genannt.
Eine Körperschaft verfolgt laut Abgabenordnung § 52 gemeinnützige Zwecke nur, "wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern".
Nicht gegeben sei das, "wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen" sei oder "infolge seiner Abgrenzung nach beruflichen Merkmalen nur klein sein kann".
Als selbstlos gilt eine Förderung nur, "wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden", heißt es in § 55.
Berufs- und Wirtschaftsverbände werden nur von der Körperschaftssteuer befreit (KStG §5 (1) 5.)
Mitgliedsbeiträge an sie lassen sich nur als Werbekosten bei der Steuererklärung geltend machen (EStG § 9).
Spenden an gemeinnützige Organisationen sind hingegen voll absetzbar (§10b EStG).
Quelle der Fehlinformation war die NGW-Homepage, die ihn als „gemeinnützigen überparteilichen Verband“ vorstellt. Auch sein Vorsitzender, Wilhelm Hoffrogge, hatte im Gespräch mit der taz diesen Status bekräftigt und dem AbL mit „rechtlichen Schritten“ gedroht. Daraus wird nun nix.
Steuerrechtlich wäre diese Privilegierung anrüchig gewesen. Sie hätte den NGW nicht nur, wie alle Wirtschaftsverbände, von der Körperschaftssteuer befreit, sondern auch Spenden an ihn absatzfähig gemacht. Eine Anerkennung als gemeinnützig sei zwar für Interessensverbände „nicht per se ausgeschlossen“, sagt Silke Bruns vom Bundesfinanzministerium, „aber die Hürde der Selbstlosigkeit ist für sie fast nicht zu meistern“.
Mit der Entbindung der Finanzbehörden vom Steuergeheimnis hat der NGW größerem Flurschaden vorgebeugt, was bleibt, ist der Makel, seine eigene Rolle geschönt dargestellt zu haben. Dazu passt, dass Hoffrogge zwar gegenüber der taz energisch verneint, in erster Linie die Interessen der Branchenriesen zu vertreten. Doch sind diese, mit nur wenigen Ausnahmen, in Niedersachsen beheimatet. Und ihr Einfluss im NGW ist hoch, wie die Zusammensetzung des Vorstands belegt: Stellvertretender Vorsitzender ist Karl Horstmann, Geschäftsführer der millionenschweren Geflügelzucht-Horstmann GmbH. Die ist eng mit Lohmann Tierzucht verbandelt, dem Weltmarktführer in Sachen Legehybride, der auch noch Gerhard Seemann ins Gremium entsandt hat, wo er mit Josef Kamphaus, Geschäftsführer bei PHW (Wiesenhof), fürs Thema Hühner-Zucht und Vermehrung zuständig ist. Puten-Fragen wiederum beantwortet Ewald John Drebing, Chef des Moorgut Kartzfehn von Kameke, deutscher Putenzüchter Nummer eins, und eng verbandelt mit Heidemark. Gemeinsam betreibt man die Lethetal Putenspezialitäten-Schlachterei in Ahlhorn.
Auch die politischen Forderungen des NGW entsprechen den Wünschen industrieller Geflügel-Firmen: Als Niedersachsens Agrarminister Gert Lindemann im Februar einen Ausstieg aus der Kleingruppen-Käfighaltung von Legehennen bis 2023 ankündigt hatte, drohte Hoffrogge dem Land mit „Schadenersatzforderungen“, die „durchaus im Bereich von 50 Millionen Euro“ liegen würden.
Vor allem ein Mitvorstand dürfte sich gefreut haben: Bernd Meerpohl betreut im NGW die Fachgruppe Verbundwirtschaft, sonst ist er Chef der Big Dutchman AG, des Marktführers bei „Stall-Lösungen“ und „Haltungssystemen“. So nennt das Unternehmen in der schönen Sprache der Werbung das, was dem Laien ein Käfig ist.
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