Geflüchtete aus Griechenland: Endlich angekommen
Knapp 1.000 Geflüchtete von den griechischen Inseln sollen in Deutschland aufgenommen werden. Einige Familien sind am Freitag in Kassel gelandet.
83 Menschen sind es, die am Freitag von Athen nach Kassel geflogen wurden. Sie sollten auf neun Bundesländer verteilt werden, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Die Bundesregierung will damit die heillos überfüllten Lager auf den griechischen Ägäis-Inseln, in denen katastrophale Zustände herrschen, ein wenig entlasten.
Unter den Ankömmlingen sind laut Bundesinnenministerium 17 kranke Kinder und ein Jugendlicher, die von Angehörigen begleitet werden. Die 18 Familien sollten in Deutschland Aufnahme finden und medizinisch versorgt werden, müssen aber dennoch nach den Worten des Innenministeriums ein „ergebnisoffenes Asylverfahren“ durchlaufen. Die meisten von ihnen – 54 Menschen – kommen nach dpa-Informationen aus Afghanistan, je acht aus dem Irak und den palästinensischen Gebieten, sieben aus Syrien und sechs aus Somalia.
Der Vertreter des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland, Frank Remus, sagte: „Das ist ein wichtiger Tag für die teils schwerkranken Kinder und ihre Familien, die aus einer unerträglichen Situation, die wir leider in Europa erleben müssen, erlöst wurden.“ Er unterstrich aber auch: „Wir hoffen, dass Griechenland im Zusammenspiel vieler EU-Länder deutlich stärker entlastet wird und europäische Lösungen gefunden werden, die humanitäre Not zu beenden.“ Neben Deutschland beteiligen sich unter anderem Luxemburg und Portugal an der Aufnahme, die sich wegen der Corona-Pandemie verzögert hat.
Geflüchtete werden auf Bundesländer verteilt
Acht der Kinder sind sechs Jahre oder jünger, neun zwischen sieben und 13 Jahren alt. Ein Jugendlicher ist 15 Jahre alt. Mit dabei sind 32 Erwachsene – Vater, Mütter oder Vormünder – und 33 minderjährige Geschwister. Sie müssen nach ihrer Ankunft grundsätzlich nicht in Corona-Quarantäne, da Griechenland nicht als Risikogebiet gilt und sie schon vor Abflug auf das Virus Sars-CoV-2 getestet wurden.
Ihr Aufenthalt auf dem Flughafen Kassel war am Freitag kurz. Noch auf dem Rollfeld stiegen sie in Reisebusse um und fuhren ab. Die meisten der Neuankömmlinge (18 Menschen) sollten nach Thüringen weiterreisen, 16 nach Rheinland-Pfalz und 14 nach Nordrhein-Westfalen. Hessen wollte neun der Migranten aufnehmen, Niedersachsen acht, Berlin sieben, Bremen fünf und Baden-Württemberg und Hamburg jeweils drei.
SPD-Chefin Saskia Esken begrüßte die Aktion. „Ich bin all denen dankbar, die daran mitgewirkt haben, dass die im Koalitionsausschuss vereinbarte Aufnahme von 1.000 besonders hilfsbedürftigen Flüchtlingen aus Griechenland jetzt Zug um Zug erfolgt“, sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Unsere politischen Anstrengungen haben sich für jeden Menschen, den wir aus diesen unwürdigen Bedingungen befreien können, gelohnt“, erklärte die Berliner Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel.
Wohlfahrts- und Hilfsorganisationen kritisierten die Aufnahmezahlen allerdings als unzureichend. „Angesichts der katastrophalen Situation der Menschen in den Flüchtlingslagern in Griechenland muss Deutschland sich bereit erklären, mehr Menschen, insbesondere Kinder, aus Griechenland aufzunehmen“, erklärte Maria Loheide vom evangelischen Sozialverband Diakonie.
Nur ein Anfang
„Angesichts von mehr als 30.000 Schutzsuchenden allein auf den griechischen Inseln kann die Aufnahme einiger hundert Menschen nur ein Anfang sein“, erklärte auch Christoph Waffenschmidt von World Vision. In den Lagern dort herrschten “menschenunwürdige Zustände“. Allerdings sei der aktuelle Flug aus Athen „ein positives Signal“. Ähnlich äußerte sich die Organisation Save the Children. Deren Migrationsexpertin Sophia Eckert wies darauf hin, dass die deutschen Bundesländer ihre Bereitschaft zur Aufnahme von rund 2.100 Menschen erklärt hätten.
Deutschland will gemäß einer Entscheidung der Bundesregierung insgesamt 243 medizinisch behandlungsbedürftige Kinder aus Griechenland im Rahmen einer europäischen Hilfsaktion aufnehmen. Ebenfalls einreisen dürfen deren Kernfamilien, also Eltern und Geschwister. Mitte April waren die ersten 47 Kinder und Jugendlichen in Deutschland eingetroffen, später noch sechs weitere, die zunächst wegen Gesundheitsproblemen nicht hatten mitfliegen können.
Auf den griechischen Inseln in der Ost-Ägäis stranden viele Menschen, die sich von der Türkei aus auf den Weg in die Europäische Union machen. Laut UNHCR befinden sich dort derzeit rund 31 700 Migranten, ungefähr ein Drittel von ihnen sind Kinder und Jugendliche. Ungefähr die Hälfte der Migranten auf den Inseln sind Afghanen, ein knappes Fünftel Syrer.
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