: Gefährliches parteitaktisches Spiel
Betr.: „Distanz zur Demokratie“, taz nord vom 16. 5. 2008
Dass die taz die Zitate von Manfred Sohn und Diether Dehm als Aussagen eines „internen Papiers“ ausgibt, erweckt einen falschen Eindruck: Das Papier ist über die Website der Linken öffentlich einsehbar. Aus einigen humorvoll überspitzten Sätzen ein distanziertes Verhältnis zur Demokratie abzuleiten, ist sehr weit hergeholt: Im Gegenteil kritisieren Sohn und Dehm, dass sich in Deutschland ein Wahlkampfstil eingebürgert hat, der die inhaltliche Auseinandersetzung vernachlässigt; sie verlangen also nicht weniger, sondern mehr Demokratie!
Kritiklos zitiert die taz dann Innenminister Schünemann, der sechs von elf niedersächsischen Landtagsabgeordneten der Linken bescheinigt, aus dem extremistischen Bereich zu kommen. Abgesehen davon, dass die linke Fraktion nur aus zehn Abgeordneten besteht, von denen mindestens sechs dem sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen und dem bürgerbewegten Spektrum entstammen: Eine extremistische Vergangenheit haben in Deutschland auch viele andere Politikerinnen und Politiker – bis hin zu ehemaligen Außenministern. Die Ost-CDU wird noch heute größtenteils von Mitgliedern der ehemaligen DDR-Blockpartei getragen, die als treuer Vasall der SED für Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl stand und von der West-CDU skrupellos geschluckt wurde.
Wer aufgrund ihrer wirtschafts- und sozialpolitischen Vorschläge die Verfassungstreue der Linken anzweifelt, betreibt aus kaltem parteitaktischen Kalkül ein gefährliches Spiel: Wenn Wählerinnen und Wähler für ihre politische Überzeugungen, die sich von denen des Innenministers unterscheiden, aus unserem Verfassungsbogen herausgedrängt werden sollen, ist die Legitimität und Stabilität unserer Demokratie in Gefahr. Dies darf niemand zulassen, dem unsere Verfassung am Herzen liegt. In Wirklichkeit definiert sich die Linke gerade in Niedersachsen als die Verfassungspartei, die das Grundgesetz und die Landesverfassung in ihrer Gänze ernst nimmt.
Anstatt die neue Linke mit unlauteren Methoden zu diffamieren, sollten sich die politischen Gegner der inhaltlichen Auseinandersetzung im demokratischen Wettbewerb stellen. JONAS CHRISTOPHER HÖPKEN, Oldenburg