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■ Mit der Mineralfaserindustrie auf du und duGefährliche Wolle

„Glas- und Steinwolle: Keine Gefahr für den Menschen!“ prangt es in großen Lettern auf der unteren Hälfte des persönlich bevorzugten Mediums. Die interessierte Leserin stutzt – und staunt. Vor einigen Wochen erst wurde auf derselben Seite das Gegenteil behauptet: Mineralfaserstäube seien hochoffiziell durch die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft in die Gruppe „erwiesenermaßen krebserzeugender Stoffe“ neu eingestuft worden. Nach Jahren des Gemunkels endlich ein klares Wort. Von notwendigen Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit dem Dämmaterial war dabei die Rede.

Währenddessen wandert der Blick ans Ende der Anzeige. Gezeichnet: FMI Fachvereinigung Mineralfaserindustrie. Kein Grund zur Verunsicherung, so deren lapidarer Kommentar. Ein ruhiges Gewissen behauptet die Pressesprecherin des FMI auf eine Nachfrage hin. „Es gibt trotz jahrelanger Untersuchungen noch keinen einzigen Krebsfall der als Folge von Stein- oder Glaswollfasern an Menschen nachgewiesen wurde.“ Was zwar stimmt, aber eine spitzfindige Formulierung ist.

Der Nachweis kanzerogenen Potentials bei Mineralfasern beruht auf Tierversuchen. Mangels besserer Möglichkeiten, werden diese Ergebnisse – vorbeugend – auf den Menschen übertragen. Für Prof. Dr. med. Pott vom Medizinischen Institut für Umwelthygiene in Düsseldorf ist jeder Versuch, sich allein auf epidemiologische Untersuchungen zu berufen, unverantwortlich. Wenn die Lungenkrebsrate männlicher, rauchender Arbeitern bei 7 bis 9 Prozent liegt, wäre ein eindeutiger Nachweis für die krebserzeugende Wirkung von Mineralfasern erst erbringbar, wenn sich die Lungenkrebsquote um 50 Prozent erhöhen würde – und Jahrzehnte dauern könnte. „Die Nachweisgrenze ist viel höher als die Akzeptanzgrenze“, so Pott. Seine Devise: Vorsicht ist besser, Panikmache oder gar Verbote hingegen unangebracht.

Die Konsumenteninitiativen haben sich angesichts so harter Fronten längst auf die Seite der Kritiker geschlagen. In einer ihrer Aussendungen rät die „Verbraucher Initiative“ von der Verarbeitung der umstrittenen Dämmstoffe ab. bf

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