Geerntet wird erst im November: Gegen die liberale Weltmarktlogik
aus Paris DOROTHEA HAHN
„Der große Bluff“, so nennt die französische „Confédération Paysanne“ die „angeblich grüne Reform“ der EU-Agrarpolitik. Die Bauerngewerkschaft, der auch der inhaftierte Globalisierungskritiker José Bové angehört, kämpft seit Jahren gegen den „malbouffe“ – den macdonaldisierten Scheißfraß. Die „Confédération“ nennt die von EU-Kommissar Fischler geplante Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) eine „Anpassung an die liberale Weltmarktlogik“. Eine qualitative Veränderung sieht sie darin nicht. Schon gar keine Verbesserung für die Verbraucher.
In Frankreich sind die Unterstützer für das Fischler-Vorhaben rar gesät. Sowohl rechts als auch links, in der Stadt wie auf dem Land ist der Unmut groß. In Frankreich, mit seinen rund 600.000 Bauernhöfen weltweit zweitgrößtes Agrarexportland, ist das Thema Essen und Qualität buchstäblich in aller Munde. Und die Nähe zur Scholle und den bäuerlichen Vorfahren ist größer als in Deutschland.
Politisch hat die französische Kritik an dem Fischler-Projekt freilich ganz unterschiedliche Motive. Staatspräsident Chirac verhinderte schon im März 1999 bei einer Nachtsitzung in Berlin eine Renationalisierung der EU-Landwirtschaftspolitik. Sie könnte Frankreich um einen Teil der rund 9 Milliarden Euro Subventionen bringen, die alljährlich aus Brüssel kommen.
Die Regierung pocht auf die Einhaltung des seinerzeit in Berlin fixierten Terminplans. Sie will die GAP erst im Jahr 2006 reformieren. Das Fischler-Papier versteht sie daher strikt im Sinne des damaligen Auftrages als Halbzeit-Zwischenbilanz des Haushaltsplans Agenda 2000. Dass die Reform der GAP schon vor der Osterweiterung, die im Jahr 2004 ansteht, nötig ist, wird bestritten. In einem 26-seitigen Grundsatzpapier von Premier Raffarin, in dem sich nur 2,5 Seiten mit internationalen Fragen befassen, war die Ablehnung jeder Reform der GAP die zentrale außenpolitische Botschaft.
Der Landwirtschaftsverband FNSEA, der der rechten Regierung nahe steht, lehnt das Fischler-Projekt ab, weil es die europäischen Bauern im internationalen Wettbewerb ins Abseits manövriere. Speziell gegenüber den US-Bauern, denen Präsident Bush kürzlich eine bedeutsame Steigerung der Subventionen zugesagt hat. „Das Fischler-Projekt wird uns gegenüber der US-Exportoffensive schwächen“, so der FNSEA, sollte es sich durchsetzen, würden in den nächsten 10 Jahren die Hälfte der französischen Höfe verschwinden.
Auch finanziell sieht der FNSEA keinen dringenden Handlungsbedarf: Die EU-Landwirtschaftsausgaben seien stabil, die Qualität der Produkte steige. Der Verband hatte nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang ein Monopol auf die Interessenvertretung der französischen Bauern. Wenn eine Regierung in Paris nicht auf ihn hört, demontieren seine Mitglieder Eisenbahnlinien, überfallen Großmärkte und setzen Barrikaden in Brand.
Dieses Mal hofft der FNSEA auch auf Unterstützung des deutschen Bauernverbands. Im Gegensatz zu den Politiker, so freuen sich die Präsidenten der Bauernfunktionionäre, die sich letzte Woche in Paris trafen, „sind wir uns einig“.
Am anderen Ende der politischen Skala stellen die linken Ökobauern der „Confédération“ fest, dass die EU einerseits bei den Verhandlungen in der Welthandelsorganisation WTO Punkte sammeln und andererseits die Exportorientierung der europäischen Bauern stärken wolle. Eine qualitative Verbesserung der Landwirtschaft, erst recht der ökologischen, sei mit der geplanten Senkung der Garantiepreise nicht zu erreichen. Hingegen werde die Reform die Konzentration und den „Produktivismus“ in der EU-Landwirtschaft noch weiter verstärken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen