: Gedrechselte Eleganz
■ Konzept, Kontinuität und Tod: Rui Hortas Frankfurter Erfolgscompagnie S.O.A.P. zeigt mit „Khora“ihre letzte Choreographie auf Kampnagel
Ist Erfolg planbar? Ja, beschloß Dieter Buroch, der Leiter der Spielstätte Mousonturm in Frankfurt, 1990. Statt viele kleine Fische zu fördern, entschied er sich für einen einzigen Choreographen, dem er die Leitung einer eigenen Tanztheater-Compagnie unter seinem Dach anbot. Die Devise „Knete, Konzept, Kontinuität“ging auf: Die Gruppe S.O.A.P. entwickelte mit der Handschrift des Portugiesen Rui Horta einen eigenen Stil. Und die Tanzwelt liebte diese intelligenten, temperamentvoll-akrobatischen Bewegungen, gedrechselt aus Ballett- und anderem Material, das doch am Ende durch die strenge Bearbeitung so schlicht, so schlank und elegant wirkt. Nun zeigt die Erfolgscompagnie mit Khora ihr vorerst letztes Stück. Und setzt damit einen starken Schlußpunkt für die independance days auf Kampnagel.
Horta spielt in Khora mit unseren Gewohnheiten. Und mit seinem Lieblingselement, dem Wasser: Eiswürfel schmelzen dahin, als Allegorien der Zeit, in denen sich das Licht spiegelt. Immer wieder wollen die acht Darsteller Neues wagen, aber immer wieder scheitern sie. Der Titel, dem griechischen „chora“entlehnt, bezeichnet das Prinzip der Gestaltgebung. Es kann selbst nicht in Erscheinung treten, formt aber Materie im Raum, legt fest. „Gäbe es nicht so etwas wie Gewohnheit“, zitiert Horta programmatisch Marcel Proust, „dann käme das Leben all jenen köstlich vor, die der Tod in jedem Moment bedroht. Also allen.“Eine Anspielung auch auf seine eigene Situation?
Immer wieder hatte Horta Neues ausprobiert: mit seiner Begabung für Architektur kräftig im Bühnenbild mitgemischt, eben jenen abstrakten, veränderbaren Holzquadern oder wasserstrahlspendenden Deckenröhren. Hatte seine Tänzer singen lassen oder schauspielen – zuletzt allerdings in Glass mit scheidendem Urteilsvermögen über den zumutbaren Grad an Klamauk. Seine Stärke jedoch, zerbrechliche Situationen einzufangen, seine Poesie ist immer noch unschlagbar.
Am 1. Juni wird die Erfolgscompagnie S.O.A.P. sich trennen. Gründe dafür gibt es viele: einerseits die katastrophale Sparpolitik der Frankfurter Kulturdezernentin, die dem Mousonturm jedes Jahr größere Einbußen aufbrummte. Andererseits wollen auch Mitglieder des Ensembles pausieren. Aber Horta ist ein Hansdampf, der nicht zu halten ist. Er will als freischaffender Choreograph neue Wege gehen. Gabriele Wittmann
Donnerstag, 29. bis Samstag, 31. Januar, 20.30 Uhr, Kampnagel (k2); Lecture demonstration: 31. Januar, 16.30 Uhr
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