Gedenkstättenstreit in Sachsen: Erinnern, ohne gleichzusetzen
Der Gedenkstättenstreit in Sachsen ist beigelegt. Die Mehrheit des Dresdner Landtags einigt sich auf ein Stiftungsgesetz, das den NS-Opferverbänden entgegenkommt.
DRESDEN taz | Von einem „glücklichen Tag“ sprach Karl-Heinz Gerstenberg, kulturpolitischer Sprecher der Grünen im sächsischen Landtag. Acht Jahre, nachdem mehrerer NS-Opferverbände demonstrativ aus der „Stiftung Sächsische Gedenkstätten“ ausgetreten waren, haben die Fraktionen von CDU, FDP, SPD und Grünen im sächsischen Landtag einen überarbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt, der den Opferverbänden eine Rückkehr ermöglichen soll.
Eine neue Präambel betont jetzt die Unterschiede zwischen Nationalsozialismus und kommunistischer Diktatur und die Singularität des Holocaust. Sie lehnt sich damit eng an die Gedenkstättenkonzeption des Bunds und an die sogenannte Faulenbach-Formel an – benannt nach dem Historiker Bernd Faulenbach.
Die sächsische Gedenkstättenstiftung unterhält fünf Gedenkstätten: vom ehemaligen Stasigefängnis Bautzen bis zu Pirna-Sonnenstein, wo die Nazis Behinderte umbrachten. Nun sollen weitere sechs Gedenkstätten hinzukommen, darunter die Zwangsarbeitergedenkstätte Leipzig oder jene für die Euthanasieopfer in Großschweidnitz. Der Etat der Stiftung beträgt rund drei Millionen Euro. Bei den jetzt anstehenden Haushaltberatungen wird einvernehmlich angestrebt, die Stiftungsmittel zu erhöhen.
Erst 2003 war das sächsische Gedenkstättengesetz von der regierenden CDU beschlossen worden. Weil sie darin eine Tendenz zur Gleichsetzung der beiden jüngsten deutschen Diktaturepochen sahen, kündigten der Zentralrat der Juden und weitere Verbände im Jahr darauf ihre Mitarbeit in der Stiftung auf, was bundesweit Aufsehen erregte.
„Ende der Beschämung“
Zwischen Opfern des NS-Regimes und jenen der SED-Herrschaft herrschte seither ein angespanntes Klima. Nach Vorwürfen angeblicher wirtschaftlicher Unregelmäßigkeiten musste später auch ein Geschäftsführer gehen. Auch in anderen ostdeutschen Bundesländern gestaltet sich die Zusammenarbeit von Vertretern der verschiedenen Opfergruppen schwierig: In Sachsen-Anhalt blieb die entsprechende Stiftung fast drei Jahre lang ohne Direktor.
„In Sachsen endet nunmehr eine Periode der Beschämung“, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete und ehemalige Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange. Während ihrer bis 2009 währenden Koalition mit der CDU hatte sie sich vergeblich um eine Gesetzesnovelle bemüht. Nun würdigten sie und ihr Kollege Karl-Heinz Gerstenberg von den Grünen den offenkundigen „Lernprozess“ innerhalb der Union. Deren Sprecher Günther Schneider sagte, Formulierungen mit nivellierenden Wertungen seien jetzt bewusst vermieden worden. Es dürften aber weder die Verbrechen der Nazis relativiert noch das SED-Unrecht bagatellisiert werden.
Der Einigung voraus gingen fast zweijährige Vermittlungen unter Leitung des früheren Staatssekretärs Albin Nees. Nees hatte Vertreter der Opfergruppen, die Gedenkstätten, den Stiftungsdirektor Siegfried Reiprich wie auch die Parteien konsultiert. Frühestens zum Jahresende könnte das Gesetz verabschiedet werden, das eine Rückkehr der Verbände erlaubt.
Überschattet wird die Einigung nur von einem Dissens mit der Linksfraktion. Deren Sprecher Volker Külow sieht die Linksfraktion ausgegrenzt und „vor vollendete Tatsachen gestellt, obschon auch sie sich um eine Rückkehr der NS-Opferverbände bemüht habe. Die vier Fraktionen, die den Gesetzentwurf eingereicht haben, weisen das zurück. Eine Einbeziehung der Linken sei „leider nicht möglich gewesen“, sagte Eva-Maria Stange und nannte Külows Äußerungen „unverschämt“. „Die Linke spricht nicht allein für die Opferverbände“, fügte sie hinzu.
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