Geburtstag der Bewegungsstiftung: Last und Lust des Geldes
In den zehn Jahren seit ihrer Gründung hat die Bewegungsstiftung die politische Landschaft verändert. Das Stiftungsvermögen wächst aber zuletzt langsamer.
Ulrich Müller ist heute Geschäftsführer einer durchaus einflussreichen Organisation: Lobbycontrol hat sich mit Kampagnen gegen Lobbyisten in deutschen Ministerien und für ein europaweites Lobbyregister eingesetzt und Skandale wie die verdeckte PR der Bahn vor dem geplanten Börsengang aufgedeckt. An vergangenen Montag eröffnete die Organisation mit Hauptsitz in Köln, bei der mittlerweile fünf Hauptamtliche arbeiten, in Berlin ihr zweites Büro.
Im Jahr 2004 existierte Lobbycontrol nur als Idee. Nach einem Kongress zum Thema fand sich eine Gruppe von Leuten mit dem Ziel zusammen, eine neue Organisation aufzubauen, berichtet Müller. Dass das so schnell gelungen ist, verdankt Lobbycontrol zu einem großen Teil einer anderen, ebenfalls noch recht jungen Institution: der Bewegungsstiftung, die das Projekt bisher mit 154.000 Euro unterstützt hat. „Das war in der Gründungsphase extrem wichtig“, sagt Müller.
Lobbycontrol ist damit der größte einzelne Profiteur jener Stiftung, die vor zehn Jahren – am 2. März 2002 – unter dem Motto „Mit Geld die Welt verändern“ gegründet wurde. Auf Initiative von drei Aktivisten aus der Umwelt- und globalisierungskritischen Bewegung, die selbst durch Erbschaften zu Geld gekommen waren, fanden sich damals zunächst neun GründungsstifterInnen zusammen. Eine von ihnen war Susanne Bauer.
Soziale Verantwortung als Familienwert
Auch die damals 24-Jährige aus Nordrhein-Westfalen hatte durch ein Erbe mehr Geld zur Verfügung, als sie zum Leben brauchte. Zunächst mit einer niedrigen fünfstelligen Summe beteiligte sie sich am Gründungskapital von insgesamt 250.000 Euro. Der Schritt fiel ihr leicht, sagt sie: „Soziale Verantwortung war bei uns schon immer ein starker Familienwert.“
Bauer, die eigentlich anders heißt, aber ihren Reichtum aus Furcht vor Schwierigkeiten in Alltag und Beruf nicht öffentlich machen will, war anfangs reine Geldgeberin; später stockte sie nicht nur ihren Anteil auf, sondern brachte sich auch aktiv in die Arbeit der Stiftung ein, unter anderem in dem Gremium, das die eingegangenen Förderanträge sichtet. „Das ist eigentlich das Spannendste“, sagt sie. „Man kriegt wichtige Einblicke, was politisch gerade läuft – oder laufen könnte.“ Zudem engagiert sie sich auch in der Begleitung eines der geförderten Projekte.
Zur Gründung zahlten neun GründerInnen ein Kapital von 250.000 Euro ein. Heute liegt die Zahl der StifterInnen bei 131, das Kapital bei 5 Millionen Euro.
Aus den Erträgen des nach ethischen Kritierien angelegten Kapitals sowie zusätzlichen Spenden wurden bisher 1,4 Millionen Euro für 80 politische Kampagnen ausgezahlt. Mit 390.000 Euro wurden 15 VollzeitaktivistInnen unterstützt, 357.000 Euro flossen in Beratung. Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit machten mit 1,4 Millionen Euro etwa 40 Prozent der Ausgaben aus.
Information im Netz: www.bewegungsstiftung.de
Denn außer mit Geld hilft die Stiftung auch mit Beratung. Für die Kampagnen – mehr als 80 waren es im Lauf der zehn Jahre – werden gemeinsam mit den geförderten Organisationen Ziele und Strategien ausgearbeitet und evaluiert. Fachseminare und Tagungen zum Erfahrungsaustausch ergänzen das Angebot der Stiftung.
Finanzierung von BewegungsarbeiterInnen
Auch an einem weiteren Förderprojekt der Stiftung beteiligt sich Bauer finanziell: an der Unterstützung von sogenannten BewegungsarbeiterInnen – Menschen, die mit großem Zeiteinsatz, aber ohne feste Anstellung in politischen Projekten arbeiten. Darunter waren in der Vergangenheit prominente Gesichter wie der Globalisierungskritiker Sven Giegold und der Antiatomkämpfer Jochen Stay. Derzeit wird die als „Eichhörnchen“ bekannte Kletteraktivistin Cécile Lecomte ebenso finanziert wie Menschen, die sich für Flüchtlingsrechte oder Sozialproteste engagieren.
Ansgar Klein, Herausgeber des Forschungsjournals Soziale Bewegungen, bescheinigt der Bewegungsstiftung nicht nur eine wichtige Rolle als Geldgeber und „Geburtshelfer“ für neue Akteure – neben Lobbycontrol etwa das Onlinenetzwerk Campact und die Antiatominitiative Ausgestrahlt. „Sie ist auch enorm wichtig für die Professionalisierung der Bewegung“, sagt Klein. „Ohne Organisationen und Strukturen geht es nicht.“
Anfängliche Befürchtungen, dass die Stifter mit ihren Entscheidungen starken Einfluss auf die politische Agenda nehmen, sind durch die Einbindung von Aktiven in die Entscheidungsprozesse und durch das breite Spektrum der geförderten Projekte weitgehend verstummt.
Kein ziviler Ungehorsam
Kritik gibt es allenfalls daran, dass bestimmte Aktionsformen wie ziviler Ungehorsam nicht gefördert werden – was aber daran liegt, dass es die Gemeinnützigkeit gefährden würde. Dass sich aber auch ein im Umfeld der Stiftung angesiedelter Fonds, für den diese Einschränkung nicht gilt, aus der Finanzierung von Projekten wie „Castor Schottern“ oder „Dresden Nazifrei“ wieder zurückgezogen hat, hat für Kritik gesorgt.
„Natürlich kann jeder mit seinem Geld fördern, was er für richtig hält“, sagt Henning Obens, Mitorganisator der Antinaziblockaden in Dresden. „Aber die enge Definition von zivilem Ungehorsam schließt manche effektiven Aktionsformen aus.“
Auch bei der Stiftung selbst herrscht zum zehnten Geburtstag nicht nur Freude. Denn auch wenn das Stiftungskapital mittlerweile auf über 5 Millionen Euro angestiegen ist und die Stiftung sich mit 130 StifterInnen zu einer echten Bürgerstiftung entwickelt hat: In den letzten beiden Jahren ist die Summe der neuen Zustiftungen deutlich gesunken. Geschäftsführer Jörg Rohwedder vermutet, dass die Finanzkrise auch in progressiven Kreisen für Verunsicherung gesorgt hat. Für die fernere Zukunft ist er allerdings zuversichtlich, denn er weiß, dass viele StifterInnen die Bewegungsstiftung im Testament bedenken. „Vom Grundstock ihres Vermögens“, so Rohwedder, „trennen sich eben auch unsere Unterstützer erst am Ende des Lebens.“
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