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Archiv-Artikel

Geballtes Wissen am Bebelplatz Wer nicht fragt, bleibt dumm

Der angeblich größte Tisch der Welt – mit 38 Metern Durchmesser – steht seit gestern auf dem Bebelplatz in Mitte. An diesem „Table of Free Voices“ sollen morgen 112 Wissenschaftler, Unternehmer, Schriftsteller, Künstler und Aktivisten aus der ganzen Welt sitzen und einen Tag lang 100 ausgewählte Fragen beantworten. Der Verein dropping knowledge eröffnet mit diesem Ereignis seine Internetplattform www.droppingknowledge.org.

Die Geschichte ist kompliziert: Dropping knowledge hat in einer Kampagne namens „Ask yourself“ im Internet Fragen gesammelt. 100 davon wurden ausgesucht – aus Bereichen wie Wirtschaft, Ethik, Macht und Globalisierung.

Sie werden am Samstag öffentlich beantwortet – unter anderem von dem Regisseur Wim Wenders, dem slowakischen Schriftsteller Michal Hvorecký, dem einstigen Fotomodell Bianca Jagger und dem Ex-Monty-Python und Regisseur Terry Gilliam. Insgesamt wurden 112 Promis ausgesucht, die für ihre Antworten keine Gage bekommen. Spannend ist das Projekt, weil alle Promis und Experten möglichst auf alle Fragen eingehen sollen und somit eine gewisse Vergleichbarkeit gegeben ist. Die Veranstaltung zwischen 9 und 18 Uhr ist offen für Besucher.

Alle Antworten der Prominenten vom „Table of Free Voices“ werden aufgezeichnet. Die voraussichtlich über 600 Stunden Videomaterial sind die Grundlage für die Internetseite, auf der es um „globalen Dialog, Diskurs, Konsensbildung und die Weitergabe von Wissen“ gehen soll, so Hans Uszkoreit vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Das DFKI hat die Internetplattform entwickelt. 600 Themen werden mit Wikipedia-Einträgen und NGOs verlinkt. Außerdem kann jeder eigene Fragen als Text oder Video ins Netz stellen. So entsteht eine Mischung aus Suchmaschine, Blog und Bibliothek.

Alle Beiträge werden strikt geordnet nach Themen, Aktualität und einem Voting durch die Nutzer. Es werde aber nichts gelöscht, verspricht Uszkoreit. Doch laut den Initiatoren funktioniere das „Voting nur so lange, wie niemand eine Attacke fährt“. Dass eine solche Wertung durch die Nutzer problematisch sein kann, zeigte sich aber schon im Vorfeld. Fragen, die von dem Versicherungskonzern Allianz, einem Gründungspartner, in den Pool geworfen wurden, erfreuten sich angeblich großer Beliebtheit bei einigen Nutzern – so sollten sie auf die Liste der Fragen für Samstag gelangen. Deswegen wurden diese Fragen nicht für den Tisch ausgewählt.

Wie man in Zukunft mit Interessengruppen umgehen werde, die das Voting zu manipulieren versuchen, wisse man noch nicht, so die Initiatoren. In die Inhalte der Seite wolle man sich jedenfalls nicht einmischen.

Ob sich auf droppingknowledge.org wirklich eine handlungsfähige Gegenöffentlichkeit entwickeln kann oder sich der Nutzer in einem Meer aus Daten und ein paar Hinweisen auf Partner verliert, ist leider eine noch offene Frage. Elisabeth Rank