Gaza: Die Ü-Wagen rosten
Die Hamas verschärft die Medienkontrolle im Gazastreifen und schließt einen großen Sender. Kritiker sagen, der Journalismus liege im Sterben.
JERUSALEM taz Die PR-Kampagne der Hamas läuft gut. Letzte Woche etwa nahmen über 50 Korrespondenten die Einladung zur Rundfahrt in Hamastan an. Nach der Befreiung des verschleppten BBC-Reporters Alan Johnston ist Gaza für Journalisten wieder betretbar. Die Hamas fördert die Berichterstattung - aber nur, wenn sie den eigenen politischen Maßstäben entspricht. Kritik jedoch, vor allem aus palästinensischen Reihen, ist verboten.
Seit der gewaltsamen Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen sind die Tore der "Palestinian Broadcasting Corporation" (PBC) verschlossen. Die drei Übertragungswagen des von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) finanzierten und kontrollierten Senders rosten vor sich hin. Und Lana Shahin, Chefredakteurin der Fernsehnachrichten, sagt: "Der Journalismus in Gaza liegt im Sterben."
80 Prozent der Produktionen für PBC kamen bis zum Ausbruch der letzten Schlachten zwischen Fatah und Hamas aus dem Gazastreifen. "Danach", sagt Shahin, "haben wir keine einzige Minute mehr produziert." Die Nachrichtenbilder aus Gaza, die der Sender von Ramallah aus sendet, werden seither von Agenturen eingekauft. "Die Hamas hat sogar unsere Versuche unterbunden, mit einer privaten Produktionsfirma zu arbeiten."
Fausi Barhoum, Sprecher der Hamas, versteht die Aufregung nicht, es handle sich bei der PBC ja nicht um eine Privatfirma der Fatah. "Die Mitarbeiter haben den Sender nach Beginn der gewaltsamen Auseinandersetzungen freiwillig verlassen", sagt er.
Es hätte "mehrere Angebote" gegeben, die Arbeit wieder aufzunehmen. "Sie weigern sich, weil sie Anweisung aus Ramallah haben, nicht unter der Hamas zu arbeiten." Tatsächlich hatte PBC-Chef Bassem Abu Sumayya seine 400 Kollegen in Gaza aufgefordert, jede Kooperation mit der Hamas abzulehnen: Die Mitarbeiter seien weder der Fatah noch der Hamas unterstellt, sondern dem Präsidenten.
PBC-Chefredakteurin Shahin hat, wie sie sagt, "Anweisung von meinem Präsidenten Mahmud Abbas bekommen", vorläufig nicht in den Sender zurückzukehren. In den Dienst der Hamas wolle sie sich ohnehin nicht stellen, da objektive Berichterstattung unter ihr unmöglich sei. Shahin arbeitet nun als freie Reporterin für den jordanischen Satellitensender "A.TV". Palästinensische Kollegen, die sie zum Thema interviewen wollte, hätten ihr die Antwort verweigert, sagt sie. "Unter den Journalisten herrscht Angst, auch unter denen, die für andere arabische Sender produzieren".
Auch sie selbst geht kaum noch aus dem Haus, wobei sie noch mehr als die Hamas die noch extremere Splittergruppe "Gerechte Schwerter des Islam" fürchtet. Die Al-Qaida-treue Gruppe hatte schon Wochen vor den blutigen Auseinandersetzungen die Mitarbeiterinnen der PBC per SMS für den Fall mit dem Tod bedroht, dass sie sich nicht an den islamischen Kleidungskodex hielten. Shahin aber weigert sich, das Kopftuch zu tragen.
Ihr Angebot an die bisherigen PBC-Mitarbeiter hält die Hamas aufrecht und nutzt weder die PBC-Räume noch die Technik selbst. Stattdessen unterhält die Partei einen privaten Kabel- und einen Satellitensender, der mit seiner antisemitischen Kindersendung "Pioniere von Morgen" international Schlagzeilen gemacht hatte. Und Hamas-Sprecher Barhoum garantiert den Fernsehleuten, dass ihnen nichts passieren werde, wenn sie wieder arbeiten wollten. Und natürlich: "absolute Pressefreiheit."
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