■ Gauweilers Niederlage bei der OB-Wahl in München: Kein Anlaß zum Aufatmen
„Uff, noch mal davongekommen.“ Ziemlich genau halb München wischt sich den Angstschweiß von der Stirn, den ihm Horrorspezialist Gauweiler fast bis zum Auszählen der letzten Stimme gewissermaßen als Abschiedsgeschenk hinterlassen hat. Immerhin: 50,7 Prozent für Christian Ude, das heißt nicht nur, keinen Oberbürgermeister Gauweiler, das bedeutet vor allem, daß in München selbst mit jeder Menge Geld und einem Wahlkampf, der vor allem an die dumpfesten Gefühle appelliert, (im Moment) keine Mehrheit zu holen ist. Für ein gemütliches Zurücklehnen besteht in der „Stadt der Lichterkette“ allerdings nicht der geringste Anlaß. Und auch anderswo in Deutschland nicht. Denn ein Achtungserfolg sind die 43,4 Prozent für Gauweiler allemal, da muß man den Sprücheklopfern aus der CSU-Zentrale leider zustimmen.
Fast wäre die Rechnung, im trüben zu fischen, aufgegangen. Das war die reale Angst, die man vor Gauweilers Panikmache haben mußte. Sein „Tatort München“-Plakat, auf dem eine verängstigte Frau in der U-Bahn von zwei Punks bedroht wird, ist ein Schulbeispiel für politische Perfidie. Auch sonst setzte der „Schwarze Peter“ vor allem auf die niedrigeren Instinkte: die Angst vor dem Stau, die Angst vor den „alternativen Spinnern“, die Angst vor der Kriminalität, die Angst vor der Abwanderung der Industrie und die Angst vor der Zuwanderung zu vieler Ausländer.
Christian Ude hat, mehr schlecht als recht von seinen Genossen unterstützt, eher brav und oft mit fast buchhalterischer Seriosität auf diesen ganzen Schmarren reagiert. Manchmal schien es, als habe er Gauweilers krachiger populistischer Jovialität nichts anderes als ein Styling als „Muttis Bester“ entgegenzusetzen. Ein bisserl mehr kommunalpolitische Visionen (zu denen er durchaus fähig ist) hätte man sich im Wahlkampf schon von ihm gewünscht. Aber dazu hat er jetzt sechs Jahre Zeit. Zu wünschen ist ihm, daß er nun endlich auch aus dem Schatten seines „Ziehvaters“, des SPD-Altpopulisten Kronawitter, tritt. Zusammen mit den Grünen, die ihn so brav unterstützt haben, könnte er München ja vielleicht wirklich zu jener „sozialen, ökologischen und toleranten“ Modellkommune machen, von der er so schön (und sichtlich befreit) auf der Siegesfeier im SPD-Hauptquartier geredet hat. Und das könnte Zeichen setzen für den Landtagswahlkampf. Renate Schmidt freute sich jedenfalls über den „Push“.
Eins freilich wurde auch bei den meisten Genossen zugegeben: Ohne den Glücksfall, daß der Saubermann Gauweiler dank seiner hanebüchenen Mandantenverpachtungsaffaire über und über bekleckert ist, wäre es wohl anders ausgegangen. Letztlich hat der „Tatort Kanzlei München“ die Wahl entschieden. Thomas Pampuch
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