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Gastwirt Steinhoff über die Wende auf dem Brocken"Es herrschte Chaos"

1.000 Demonstranten forderten am 3. Dezember 1989 auf dem Brocken Wanderfreiheit. Seitdem hat Brockenwirt Hans Steinhoff hier drei Millionen Portionen Erbsensuppe verkauft.

"Ich bin Rentner und helfe nur noch aus": Brockenwirt Hans Steinhoff bezwingt die orts- und jahreszeittypische Witterung Bild: dpa
Interview von Michael Quasthoff

taz: Herr Steinhoff, wann kam ihnen die Idee, den Brocken gastronomisch zu besetzen?

Hans Steinhoff: Sechs Wochen, nachdem das Neue Forum die Brockenmauer zum Einsturz gebracht hatte.

Die Brockenmauer?

Das Ding war 3,60 Meter hoch und zog sich um die ganze Kuppe. War ja alles Sperrgebiet. Die Russen haben für die ersten Wanderer noch Tee im Samowar gekocht, kamen aber mit den Massen nicht klar. Auf dem Gipfel herrschte das reine Chaos.

Bis Sie kamen.

Genau. Ich war damals Hotelchef in Schierke. Als ich gesehen habe, was oben los ist, fingen wir an, im alten Bahnhof Würste und Getränke zu verkaufen.

Gibt ja nichts Besseres als ein frisches Pils nach dem Aufstieg.

Von wegen. Alkohol durfte anfangs gar nicht ausgeschenkt werden. Stand so im Nationalparkgesetz, das die Volkskammer 1990 noch beschlossen hat. Später wollten sie mir selbst das alkoholfreie Bier verbieten. Das waren so Ökos aus Blankenburg, die dachten: Wer Bier trinkt, muss ständig in die Büsche pinkeln und schädigt die Natur. Der Töpfer hat den Unsinn dann beendet.

Der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU)?

Ja, der hat uns sehr geholfen. Hat Versorgungsleitungen und Wasserrohre legen lassen. Alles ohne Planfeststellungsverfahren.

Dann gings ans Geldverdienen.

Schön wärs. Nachdem wir quasi die ganze Drecksarbeit gemacht hatten, gab es 45 Bewerber, als die Lizenzen ausgeschrieben wurden. Wir gingen leer aus.

Aber Sie sind immer noch da.

Weil die beiden Gewinner kalte Füße gekriegt haben: zu oft schlechtes Wetter, zu viel Arbeit.

Heute sind Sie Chef des Brocken-Imperiums.

Ich bin Rentner und helfe nur noch aus. Meine Frau führt das Restaurant, mein Sohn das Hotel. Gehören tut uns hier oben gar nichts. Wir sind nur Pächter. Das Land ist Staatseigentum, für das Hotel zahlen wir an die Nord LB und die Sparkasse.

Aber es lohnt sich - bei 1,5 Millionen Besuchern pro Jahr.

Kann man sagen. Wir haben 80 Mitarbeiter.

Und was ging in den 20 Jahren am häufigsten über den Tresen?

Eindeutig Bier und Erbsensuppe. Wir verkaufen täglich immer noch 400 Portionen. Auch an die Prominenz und Politiker: Stoiber hat hier Wahlkampf gemacht, die Innenministerkonferenz getagt. Und wir haben hier vier Mal im Jahr politischen Stammtisch, da kommt alles, was Rang und Namen hat: der Gabriel, unser Landeschef Wolfgang Böhmer…

Der ist doch heute zur Jubiläumsfeier bestimmt auch da?

Alle sind da. Frau Lieberknecht, die Ministerpräsidentin von Thüringen...

ihr Kollege Wulff (CDU) aus Niedersachsen…

Nee, von da hat sich komischerweise keiner angesagt.

Dabei überträgt der MDR sogar live.

Genau. Das wird heute ein ganz strammer Tag.

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