■ Gastkommentar: Große Koalition
GASTKOMMENTAR
Große Koalition?
Ein paar tausend Sozialdemokraten müßte es eigentlich in Bremen noch geben. Die Wahrscheinlichkeit ist jedenfalls groß, daß noch couragierte und kluge Genossinnen und Genossen existieren. Die dürfen doch nicht alle wegtauchen, wenn die Partei Harakiri begeht. Es muß also jetzt jemand dem Reformkommissions-Chef Isola sagen, welche Bankrotterklärung er für die Bremer SPD abgibt, wenn er Rettung durch Nichtmitglieder erwartet, die er sogar ohne Basisvotum für die SPD ins Parlament schicken will. Solche „Leihmüttermentalität“ demonstriert die eigene Sterilität und zerstört die Partei voll. Die SPD als Wahlverein — pfui Teufel!
Dem ränkereichen Konrad Kunick muß gesagt werden, daß er nicht Autorität gewinnt, wenn er mit dem Bürgermeister Schulterschluß übt und gleichzeitig auf seinen Sturz hinarbeitet. Daß die SPD mit triftigen Gründen davor zittert, die Dreißigprozentmarke zu unterschreiten, weiß inzwischen jeder. Glaubwürdigkeit verschafft sich aber keiner mit Intrigen.
Weg mit Wedemeier und der Ampel! Mit der Parole bläst offensichtlich der rechte Flügel jetzt zum Sammeln. Der Halbzeitparteitag soll die Wende bringen, die hineinführt in die große Koalition. Die gleichen Chaoten, die vor kurzem noch alle Macht in der Hand Wedemeiers konzentrieren wollten, verkünden jetzt: Er habe mit seiner Ampel seine Chance gehabt und müsse weg. Der Landesvorsitzende sitzt dabei und schweigt, statt solche Zündelei mit einem Donnerwetter zu beenden. Wer einen Spitzenkandidaten auswechseln will, muß sagen, wer was besser machen kann. Solange sich keiner aus dem Loch heraustraut, bleibt die Misere unkorrigierbar. Was soll der Wähler von einer Partei halten, die ihren Spitzenmann vermittels Umfrage durch Dritte killen lassen will. Wer meuchlings Bürgermeister werden möchte, bleibt auch danach das, was er vorher war — ein feiger Intrigant. Die Sorte aber braucht Bremen nicht. Mehr Mut also, Claus Dittbrenner und Volker Kröning. Setzt nicht auf den Selbstzerfall der Macht. Im Überlebenskampf zeigt Wedemeier Qualität.
Ein Trugschluß ist es, auf die CDU zu setzen. Der Zeitpunkt für die große Koalition ist vorbei. Die CDU hat nämlich echte Chancen, aus ihrer Opposition heraus beim nächsten Mal als stärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden. Darum läßt Neumann seine Leute im Untersuchungsausschuß an der langen Leine laufen. Sie wurschteln auf ihre Art vor sich hin und geben den Medien Gelegenheit, den Bürgermeister weiter anzuknocken. Das ist es, was Bernd Neumann für die zweite Halbzeit braucht: Lädierte Spitzenleute, die nicht stürzen.
Nein, die große Koalition ist eine Schimäre. Wenn die SPD in der Ampel leidet, liegt das doch nur an den Personen, die schlechte Politik für die SPD in der Ampel machen. Was fehlt ist also, daß sich die Flügel der Partei vor dem Halbzeitparteitag auf eine Erneuerung der Regierungsmannschaft verständigen. Solange die einen die Ampel kippen und die anderen sie retten wollen und jeder einen anderen Spitzenmann sich wünscht, bleibt alles schlimm wie es ist. Die Lektion aus der Landesvorsitzendenwahl muß gelernt werden. Das innerparteiliche Patt verlangt nämlich, daß man sich schleunigst einigt. Aufgabe von Kunick ist es jetzt, zwischen den Flügeln zu vermitteln und eine neue Regierungsmannschaft der SPD zur Halbzeit einzubringen. Wer das nicht schafft, darf dann am Wahlabend nicht jammern, wenn die alte abgetakelte Crew die SPD ins Aus gesteuert hat. Aber vielleicht wollen das manche, weil anders keine Lösung kommt. Wacht auf, Genossinnen und Genossen! Horst-Werner Franke
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