Gastkommentar: Reaktionäres Fanal
■ Mit dem neuen Hochschulgesetz will die Koalition Handlungsfähigkeit beweisen
Heute beschließt die Bürgerschaft das neue Bremische Hochschulgesetz. Damit ist Bremen das erste Bundesland, das seine Gesetzgebung an das Bundes-Hochschulrahmengesetz anpaßt. Im Gastkommentar erklärt der Uni-AStA-Vorsitzende Sven Golchert, warum das Gesetz in seinen Augen ein Rückschritt ist.
Die große Koalition benutzt die letzte Bürgerschaftssitzung in der Legislaturperiode, um in der Hochschulpolitik ein reaktionäres Fanal zu setzen. Eine Duftmarke, die von der Lebendigkeit der Ära Kohl im Jahr Eins nach dem Bonner Regierungswechsel zeugt.
Die StudentInnen hatten von einer Novelle des Bremischen Hochschulgesetzes einiges zu erwarten: mehr Durchlässigkeit zwischen den Hochschulen etwa, ein flexibles System von Abschlüssen statt des jetzigen „Alles oder Nichts“ oder den Abbau erzwungener Warteschleifen im Studium. Behörde und Politik pflegen mit diesen Fragen allerdings einen Umgang, der die Lage der StudentInnen weiter verschlechtern wird: Weil inhaltliche Konzepte fehlen, soll die Brechstange „Regelstudienzeit“ künftig schärfer eingesetzt werden, und mit dem neuen Instrument der Zwangsexmatrikulation wird versucht, StudentInnen in inkompetente Beratungsgespräche zu treiben. Wer davon einen Gewinn hat, bleibt offen, es liegt einfach im Trend.
Ebenso im Trend liegt die Ermöglichung von Gebühren für Zweit- und Aufbaustudien, ein glatter Bruch der 1997er Streikversprechen der SPD und des 1973 vom Bundestag ratifizierten Internationalen Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Darin hat sich die Bundesrepublik zur allmählichen Einführung der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts verpflichtet – zu Recht, wie jüngst wieder die Sozialerhebung der Deutschen StudentInnenwerke belegte: Daß Studieninteressierte ohne starken finanziellen Rückhalt durch Gebühren vom Studium abgehalten werden, ist offensichtlich.
Die bescheidenen Mitbestimmungsrechte von Studis und MitarbeiterInnen in den Hochschulgremien werden zudem durch ein veraltetes FührerInnenprinzip ersetzt. Die systematische Bevorzugung der Interessen von Profs weicht der ZuschauerInnendemokratie, in der Rektorat und DekanInnen das (beinahe) alleinige Sagen haben. Das Gleiche hat die Koalition im Hinblick auf die Gesetzgebung für sich beansprucht: Statt den zwei vorliegenden Entwürfen ausreichend Zeit zur Beratung einzuräumen, wollten SPD und CDU zwei Wochen vor den Wahlen Handlungsfähigkeit demonstrieren. Auf diesem Wege wurde die Beteiligung der hochschulischen Basis, die den Entwurf voller Unmut aufnahm, kalt vereitelt. Um ihr Vorhaben nicht platzen zu lassen, legten die Koalitionäre aufkeimende inhaltliche Konflikte durch hanebüchenen Kuhhandel bei, auf daß keine Seite ihr Gesicht verliere.
Kritische Debatten und darauf aufbauende Konsense gelten dieser Politik lediglich als schmückendes Beiwerk. Die Übertragung dieses Prinzips auf die Hochschulen schmälert ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Es bleibt zu wünschen, daß dieses Gesetz nicht länger hält als seine Beratung gedauert hat. Sven Golchert
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