Gastbeitrag: „Die Lehrer handeln aus purem Egoismus“
■ Schülervertreter Martin Fries zur Lage am Schulzentrum Hamburger Straße
Der Artikel „Rückkehr zum alten System“ stellt die Fakten so verkürzt dar, dass eine Einrichtung eines durchgängigen Gymnasialzweigs an der Hamburger Straße unerlässlich und sogar sinnvoll erscheint. Dabei sind aber einige Fakten völlig vernachlässigt worden. Sowohl der Elternbeirat, als auch wir Schülervertreter kommen deshalb zu einem anderen Schluss.
Es ist bezeichnend, dass in dem ganzen Artikel nicht ein Wort über die Schule an der Brokstraße zu finden ist. Sie ist eine Dependance des SZ Hamburger Straße. Seit der Schließung des HR-Zentrums Lothringer Straße sind hier zusätzlich zur Orientierungsstufe die Haupt- und Realschulklassen untergebracht. Derzeit befindet sich am Standort Hamburger Straße lediglich eine Realschulklasse.
In den nächsten Schuljahren wird man (aus Raummangel an der Brokstraße) den Realschülern zumuten, nach der 10. Klasse die Schule zu wechseln von der Brokstraße zur Hamburger Straße. Die Idee der Lehrer und der Elterninitiative war nun, eine rein gymnasiale OS-Klasse am Standort Hamburger Straße einzurichten. Dies würde Platz für die Realschulklasse an der Brokstraße schaffen.
Das klingt schön. Schön für den Standort Hamburger Straße. Deshalb haben die Lehrer hier auch dafür gestimmt. Sie tun dies aber nicht aus pädagogischen Gesichtspunkten, sondern aus purem Egoismus. Sie sehen eine Chance, keinen Unterricht mehr in der Realschule geben zu müssen. Außerdem sieht man eine Möglichkeit, den angeschlagenen Ruf der Schule aufzupolieren.
Doch nach einigem Nachdenken sollte klar sein, dass die Realität zumindest in diesem Punkt anders aussieht. Die Eltern, die meinen, ihre Kinder an eines der Innenstadtgymnasien schicken zu müssen, werden das auch in Zukunft tun. Sie werden weiterhin dem Irrglauben erliegen, diese Schulen seinen besser als unsere. Gleichzeitig wird aber die Brokstraße zu einem Katastrophengebiet, das vernachlässigt wird.
Die Kooperation der beiden Schulen klappt schon jetzt nicht. Kaum ein Lehrer an der Hamburger zieht in seiner Argumentation die Brokstraße mit in Erwägung. Die schwierige soziale Aufgabe, hier einen Ausgleich zu schaffen, wird mit den Worten umgangen „Die Stufenschule hat versagt.“ Das müsste aber ehrlicher Weise heißen „Wir haben versagt.“
Der Elternbeirat hat eine Alternatividee ins Spiel gebracht, den sozialen Ausgleich und das Schulzentrum zu erhalten. Die Idee ist simpel aber gut und wurde deshalb von den Lehrern unserer Schule schlichtweg ignoriert. Was wäre, wenn man die Jahrgänge 5 bis 8 aller Schulstufen an der Brokstraße ließe und ab Klasse 9 an der Hamburger Straße unterrichtete?
Man würde folgendes erreichen: Die berechtigte Angst der Eltern, in der OS könnten die Schüler unter einem Klima leiden, dass von großen HR-Schülern bestimmt wird, hätte ihre Grundlage verloren. Realschülern wäre wegen der räumlichen Nähe der Übergang zur gymnasialen Oberstufe erleichtert. Und die Integration könnte deshalb leichter von statten gehen, weil jeweils nur zwei Jahrgänge miteinander zu tun haben.
Das wäre aber eine ungewöhnliche, mit organisatorischen Mühen verbundene Reform der momentanen Missstände und deshalb für die meisten meiner Lehrer leider nicht vorstellbar.
Martin Fries, SV Hamburger Straße
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