Gasstreit vorerst beigelegt: Moskau und Kiew signieren Vertrag
Im Gasstreit mit Russland akzeptiert die Ukraine höhere Preise. Das bringt die Wirtschaft in große Schwierigkeiten. Jetzt bleibt nur die Hoffnung auf fallende Marktpreise.
![](https://taz.de/picture/364779/14/0479.jpg)
LEMBERG taz Die staatlichen Energieversorger Russlands und der Ukraine, Gazprom und Naftogaz, haben am Montag in Moskau nach einem beispiellosem Gasstreit einen neuen Vertrag unterzeichnet. Das Dokument lege Gaspreise und Transitgebühren fest, meldete die Agentur Interfax. Damit ist nach fast zwei Wochen Totalblockade der Weg frei für eine Wiederaufnahme russischer Gaslieferungen durch die Ukraine in Richtung Westen. Bis Montagmittag war noch kein Gas gen Westen geflossen.
Allerdings blieben auch am Montag einige Fragen offen. Die Ukraine hat sich bereit erklärt, für 2009 deutliche höhere Preise für die russischen Gaslieferungen zu akzeptieren, ohne gleichzeitig die Transitgebühr anzuheben. Laut russischen Medienberichten wird Kiew im ersten Quartal 2009 einen Preis von etwa 350 bis US-360 Dollar pro 1.000 Kubikmeter Gas zahlen. Dieser würde dann etwa 20 Prozent unter dem "europäischen Durchschnittspreis" liegen. Unklar bleibt bisher, ob die Ukraine mit dieser Kalkulation einverstanden ist. In verschiedenen ukrainischen Medien werden sehr unterschiedliche "europäische Preise" genannt.
Für die ukrainische Volkswirtschaft würde der neue Preis einen herben Rückschlag bedeuten. Die oppositionelle Partei der Regionen, die in erster Linie die Interessen des Industriekapitals im Osten des Landes vertritt, behauptet, dass Gaspreise über 250 Dollar die Schwerindustrie in den Ruin treiben werden. Unabhängige Wirtschaftsexperten sind vorsichtiger in ihren Einschätzungen, sie gehen aber auch davon aus, dass die höheren Gaspreise die ohnehin von der Krise stark gebeutelte ukrainische Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen können. Laut pessimistischen Prognosen könnte die Industrieproduktion des Landes in diesem Jahr sogar um bis zu 10 Prozent zurückgehen.
Kein Wunder, dass Kritik an der Regierung laut wird. Der unabhängige ukrainische Energieexperte Alexander Narbut spricht sogar von einer Kapitulation. "Bei diesem Preis wird die ukrainische Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Und durch die niedrige Durchleitungsgebühr verliert die Ukraine jährlich mindestens 3,5 Milliarden Dollar möglicher Einnahmen."
Weniger Probleme hätte die ukrainischen Premierministerin Julia Timoschenko allerdings, wenn der Gaspreis im Laufe des Jahres deutlich sinken würde. Möglicherweise hofft die Regierung, dass man im Moment aus Eigenvorräten in den vollen Gasspeichern schöpfen kann. Der Vorstandsvorsitzende des ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz, Oleg Dubina, bestätigte am Sonntag, dass die Vorräte für die Versorgung bis April reichen. Das würde bedeuten, dass die Ukraine unter Umständen das teure russische Gas gar nicht kaufen muss. Ab April erwartet man bereits deutlich niedrigere Preise. Einige Experten rechnen damit, dass der Gaspreis für die Ukraine im Jahresdurchschnitt bei etwa 230 bis 240 Dollar liegen könnte. Naftogaz war im Dezember im Preispoker mit den Russen bereit, bis zu dieser Grenze zu gehen - bei gleichbleibenden Transitgebühren.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss