■ Garzweiler II: Wer auf Rot-Grün setzt, muß sich einmischen: Mit Macht in ein virtuelles Loch
Sie wissen es alle. Wenn die Koalition zwischen SPD und Bündnisgrünen in Düsseldorf jetzt noch scheitert, dann steht auch das Projekt Rot-Grün in Bonn vor dem Aus. Da hilft auch kein rot-grünes Signal aus Hamburg. Denn ein Parteienbündnis, das im industriellen Kernland der Republik in einem virtuellen Loch namens Garzweiler II versackt, wird dem Wahlvolk wohl kaum erklären können, gut gerüstet zu sein, um einen der wirtschaftllich stärksten Staaten dieser Welt zu regieren.
Nein, wer noch irgendwelche Hoffnungen mit Rot- Grün in Bonn verbindet, der müßte sich jetzt einmischen, denn ohne eine Intervention von draußen drohen die Akteure in Düsseldorf sehenden Auges auf den politischen Abgrund zuzusteuern.
Führt man sich die Reaktionen führender Sozialdemokraten auf die jüngste „Gedankenskizze“ des Wuppertaler Klima-Instituts zu Garzweiler II vor Augen, dann fällt es schwer, der SPD noch einen rationalen Umgang mit dem Problem zuzutrauen. Wer, wie der SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, die ins eigene Konzept passenden Zahlen zu sakrosankten Daten erklärt, entgegenstehende Prognosen aber als „politische Pamphlete“ zu denunzieren sucht, der kann die Rolle des zur Sachlichkeit verpflichteten Fachministers schlicht nicht mehr ausfüllen.
Der Streit um den noch von der SPD-Alleinregierung im ersten Schritt genehmigten Braunkohletagebau begleitet die Koalition seit Anbeginn. Angesichts der unvereinbaren Positionen – SPD mit großer Mehrheit dafür, Bündnisgrüne geschlossen dagegen – kam im Koalitionsvertrag ein Formelkompromiß heraus, der, so brachte SPD-Ministerpräsident Johannes Rau die Lage ziemlich genau auf den Punkt, einerseits „die Rechtskraft der Genehmigung nicht gefährdet“ und andererseits den Grünen die Möglichkeit einräumte, ihre „grundsätzlich andere Auffassung zu artikulieren und Chancen zu suchen, wie man diesen Prozeß verändern kann“.
Klar ist, daß nach den Niederlagen der Garzweiler- II-Gegner vor dem Landesverfassungsgericht die Rechtskraft der bisherigen Genehmigung fortbesteht. Strittig ist, ob sich daraus für das Betreiberunternehmen RWE-Rheinbraun ein Rechtsanspruch auf die Zulassung des nun zur Genehmigung anstehenden Rahmenbetriebsplans ableitet – und welche Bindungswirkungen sich daraus ergeben. Da zur Aufnahme des Bergbaubetriebes noch nicht der Rahmenbetriebsplan, sondern erst der Jahre später zu erteilende Hauptbetriebsplan berechtigt, böte sich hier ein Weg an, der beiden Parteien erlaubte, ihr Gesicht zu wahren. Denn bis zur endgültigen Entscheidung über den Hauptbetriebsplan bliebe den Garzweiler-Gegnern Zeit, für die Überflüssigkeit und Schädlichkeit des Projektes den empirischen Beweis zu erbringen. Dann wäre das Vorhaben erledigt, denn die Behörde darf die endgültige Genehmigung nicht erteilen, wenn sich „eine wesentliche Änderung der Grundannahmen des Braunkohleplanes“ ergeben hat.
Für beide Koalitionsparteien steht mit dem Projekt ein Stück Identität auf dem Spiel. Während die SPD beim RWE-Konzern und der Bergbaugewerkschaft IGBE im Wort steht und Zuverlässigkeit demonstrieren will, fürchten die Bündnisgrünen um ihre ökologische Glaubwürdigkeit. Eine schwierige Lage, die bei einer klugen Politik der Akteure indessen nicht in die momentane Handlungsunfähigkeit hätte münden müssen.
Wer – wie der grüne Fraktionschef Roland Appel – öffentlich tönt, er sehe „bei einem genehmigten Rahmenvetriebsplan keine Chance mehr für diese Koalition“, legt sich selbst in Fesseln. Denn ob die Bagger im Jahr 2005 jemals loslegen, weiß heute kein Mensch. Sicher aber ist, daß der Rahmenbetriebsplan darüber nicht entscheidet.
Daß die Grünen trotz dieser unsicheren Lage immer wieder der Versuchung erliegen, schon jetzt kompromißlos Härte zu demonstrieren, ist gleichwohl verständlich. Weil die SPD-Führungsriege bei jeder Gelegenheit „Garzweiler II kommt“ schreit, kann der schrille grüne Konter: „Niemals“ nicht ausbleiben. Für Steigerungen in diesem Schreikampf sorgt immer wieder SPD-Fraktionschef Klaus Matthiesen. Wer die Genehmigung in Frage stelle, so der Traditionalist letzte Woche, „der stellt den Staat in Frage“. Solange die SPD solch einen Irrsinn widerspruchslos schluckt, kann Kohl in Bonn auf eine weitere Amtsperiode hoffen. Walter Jakobs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen