Ganztagsschulen: Sinneswandel in Hessen
Auch Hessens Regierungschef findet Ganztagsschulen plötzlich gut. Doch Reden allein genügt nicht: Damit die Gesamtschule ein Erfolg wird, muss auch das Personal aufgestockt werden.
"Ich war am Nachmittag früher lieber auf dem Bauernhof als auf dem Schulhof", sprach der Herr Ministerpräsident. Aber die Zeiten änderten sich nun mal. "Ich weiß auch, dass es diesen Bauernhof heute nicht mehr gibt", gestand Roland Koch (CDU).
Was der Regierungschef aus Hessen damit erklären wollte, ist die Ganztagsschule. Weil es den Bauernhof nicht mehr gibt, leider, muss man halt nach Alternativen für die Kleinen suchen - etwa die Betreuung in der Schule bis 16.30 Uhr. So lautete Kochs Botschaft beim 4. Ganztagsschulkongress am Wochenende.
Nicht wenige rieben sich die Augen: Roland Koch auf einem Ganztagsschulkongress? Ausgerechnet er, der brutalstmöglich gegen das Ganztagsschulprogramm vorgegangen war? Der deswegen die Föderalismusreform auf den Punkt zugespitzt hatte: So etwas darf es nie wieder geben! Dass Koch bei dem Kongress auflaufen konnte, war dem Motto zu entnehmen - "Bildung lokal verantworten", sprich: in den Ländern.
Allerdings sind es immer noch die Länder, die die Entwicklung zur Ganztagsschule verzögern. Knapp 6.400 Schulen wurden bisher im Rahmen des Investitionsprogramms "Zukunft, Bildung und Betreuung" des Bundes gefördert - die Zahl hinkt weit hinter dem ursprünglichen Ziel her. Verantwortlich dafür: die Länder, die bisher nur 2,45 Milliarden Euro für den Ausbau der Schulen in den Nachmittag hinein in Anspruch genommen haben. Meilenweit entfernt von den vier Milliarden Euro, die für das Programm bis 2007 zur Verfügung gestellt wurden - das mittlerweile wohlweislich bis 2009 verlängert wurde.
Ein Grund für den mangelnden Enthusiasmus der Länder: Sie müssen selbst 10 Prozent zum Bundesgeld zuschießen - und obendrein für die Personalkosten aufkommen, wenn die Ganztagsschule eingerichtet ist. Kein einziges Bundesland aber hat bislang das Personal seiner Ganztagsschulen um 30 Prozent aufgestockt, wie das die Experten von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung empfehlen.
Die Folgen dieser restriktiven Politik sind inzwischen zu begutachten: Ganztagsschulen als Schrumpfmodell. Das Konzept sah einmal vor, dass sich der Unterricht verändert. Die Lehrer sollten den ganzen Tag da sein, und die Schulstunden sich nach dem Biorhythmus der Kinder richten und über den Tag verteilen. Rhythmisierung heißt das, und entspricht den neuesten Erkenntnissen über Lernkurven und Entspannungszeiten. Da aber mauern die Länder.
Die Kongressteilnehmer zeigten, wie mit knappen Geldern doch noch was zu machen sein könnte. Lauter kleine "Bildungslandschaften" für ihre Schulen haben sie entworfen: Museen und Stadtbibliotheken, Jugendzentren und Jugendhilfeinstitutionen - alles, was den Ganztagsschulen helfen kann, muss mitantreten. Sonst gehts schief.
Eva Luise Köhler, Präsidentengattin und Vorsitzende der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, sagte das Ihre zur Schmalhanspolitik. Eine gute Ganztagsschule erfordere den Einsatz von Geld. "Das steht jetzt nicht in meiner Rede, aber es ist nun einmal so", sagte sie.
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