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Archiv-Artikel

Ganztagsschulen und ihre Probleme

betr.: Ganztagsschulen. Leistung muss sich wieder lohnen“ von Gereon Asmuth, taz vom 20. 11. 07

Ihr Kommentar macht mich ärgerlich! Wieder eine Plattitüde mehr im Kanon „Faule, unflexible Lehrer/innen“.

Sie bevorzugen die gebundene Ganztagsschule? Gut. Die Bedingungen haben sich aber in den letzten fünf Jahren extrem verschlechtert. Jede Ganztagsschule hat so ihre eigenen Probleme. Räumliche Enge ist eins davon. Kinder brauchen Platz zum Spielen und Toben sowie Rückzugsmöglichkeiten. Die meisten alten Schulgebäude sind dafür gar nicht konzipiert. Die Doppelnutzung von Klassenräumen soll hier zur Problemlösung beitragen. Sehr originell. Viele Grundschulen sind offene Ganztagsschulen, und auch hier ist die Koordination äußerst schwierig.

Wissen Sie, dass Erzieherinnen an Ganztagsschulen oft einen ganz undankbaren Job haben? Erzieher/innen sind auch nicht, wie die – ach so trägen – Beamt/inn/en, immer im Dienst. (Ohne Beamte hätte die Veränderung der Grundschule nicht so schnell vonstattengehen können). Erzieherinnen müssen Teamsitzungen usw. auf ihre Arbeitszeit anrechnen. Häufig finden solche Sitzungen zur Unterrichtszeit statt. Das lässt sich manchmal gar nicht anders regeln. Schön wäre auch ein regelmäßiger Austausch zwischen Lehrer/innen und den den Klassen zugeordneten Erzieherinnen. Das ist aber in der Regel nicht nur eine einzige Klasse, sondern es sind meistens zwei oder drei Klassen. Wo sollen die Erzieherinnen Ihrer Meinung nach überwiegend ihre Arbeitskraft einsetzen: mit den Kindern in der Schule und im Hort oder in Teamsitzungen? Sollten Sie vielleicht auch in Elternversammlungen von Zeit zu Zeit auftreten? Der Hort und die Schule veranstalten regelmäßig Elternabende. Kommunikationswünsche gibt es wohl beiderseits. Supervision wäre wünschenswert, ist aber teuer und an deutschen Schulen Privatsache.

Gravierende Sparmaßnahmen erschweren die von Ihnen erwähnte Integration. Die Integration wurde heruntergefahren, die Ausstattung seit deren Beginn in Berlin in den 80er-Jahren heruntergespart auf nahezu die Hälfte der anfänglich als sinnvoll erachteten personellen Ausstattung. Dafür wurde im Ausgleich dazu die einst gedeckelte Klassenfrequenz in Integrationsklassen – auch in denen mit geistig behinderten Kindern – auf die Normalfrequenz von so um die 28 Kinder hochgefahren. Die Versuchsphase mit wissenschaftlicher Begleitung ist vorbei! Was unter besonderen Bedingungen geleistet werden konnte, muss inzwischen einfach so ganz nebenbei funktionieren.

Das Thema Migrantenförderung ist auch ein Kapitel der Grundschularbeit. Es gibt in Berlin Regionen, in denen Migranten weniger vertreten sind als in Neukölln oder Kreuzberg. Sollen arme Grundschüler weite Fahrwege in Kauf nehmen, damit eine Schule wenigstens die 40 Prozent vollkriegt, um Bedingungen zu erhalten, die eigentlich Standard sein müssten? Es gibt reichlich Schulen, die lavieren so bei 30 Prozent. Eine sinnvolle Maßnahme im Zusammenhang der Sprachförderung (die allerdings von Lehrer/innen durchgeführt wurde, die während mehrerer Tage von Kolleginnen vertreten werden mussten) war eine Sprachstandserhebung, die leider im Jahre 2002 so katastrophale Ergebnisse geliefert hat, dass ein hoher Anteil an Förderstunden bereitgestellt wurde. Im folgenden Jahr waren die Ergebnisse plötzlich besser. Aber nicht, weil die Schulanfänger auf einmal mehr konnten, sondern weil die Messlatte tiefer angesetzt wurde. Seit 2002 wurde dafür die Anzahl der DaZ-Stunden halbiert.

Es gibt auch keine Vorschulen mehr. Sie wurden einfach wegrationalisiert. Nicht, weil sie überflüssig geworden sind, im Gegenteil! Sie waren schlicht zu teuer. Dafür sind die Kinder jetzt jünger, wenn sie in die Schule kommen. Klasse! A. THIEME-EITEL, Berlin

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