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Gammeln ist besser als lernen

■ Kein Bafög, keine Sozialhilfe: Minderjährige Flüchtlinge zur Aufgabe des Schulbesuchs gezwungen / Schüler lebt von Spenden    Von Kaija Kutter

Die Geschichte erinnert an den Hauptmann von Köpenick. Weil minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die sogenannte Berufsvorbereitungsklassen (BVKAR) besuchen, Bafög-berechtigt sind, sollen sie keine Sozialhilfe bekommen. Nach Paragraph 26 des Bundessozialhilfegesetzes schließen sich Bäfog und Sozialhilfe gegenseitig aus. Andererseits sind Asylbewerber per se nicht Bafög-berechtigt. Konsequenz: Sie bekommen gar nichts oder müssen aufhören, zur Schule zu gehen.

So erging es drei Schülern der Gewerbeschule Uferstraße in Barmbek. „Ein Schüler kam zu mir mit einer Bescheinigung. Ich sollte unterschreiben, daß er nicht mehr bei uns zur Schule geht“, erinnert sich Schulleiterin Maria Mielke. Die Pädagogin weigerte sich, den Wisch des Sozialamts zu unterschreiben. Der Schüler, ein junger Mann aus Togo, lebt zur Zeit von Spenden, die das Lehrerkollegium sammelt. In zwei anderen Fällen, berichtet Maria Mielke, hätten die Schüler von sich aus den Schulbesuch abgebrochen.

Auch an der Gewerbeschule 20 in Bergedorf und der Gewerbeschule W1 an der Lübecker Straße warfen Schüler das Handtuch. „Es ist absurd. Denn es trifft gerade die Jugendlichen, die den Schulbesuch am nötigsten haben“, sagt die Barmbeker Schulleiterin. Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sei die Schule der einzige Kontakt: „Die sind sehr einsam, aber auch sehr motiviert“.

Nach Informationen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gibt es zur Zeit zwölf Schüler, die auf Druck des Sozialamts „abgeschult“ wurden. Den Anfang machte ein Sachbearbeiter im Sozialamt Fuhlsbüttel. Die Sache kam vors Verwaltungsgericht, das Mitte Oktober den Antrag auf Sozialhilfe ablehnte. Begründung: Die Ausbildung sei „eine Form der beruflichen Grundbildung“ und damit Bafög-förderungsfähig. Außerdem gebe es keinen „atypischen Lebenssachverhalt“, der es unzumutbar erscheinen läßt, die Ausbildung abzubrechen. „In der Konsequenz heißt das, die Jugendlichen sollen lieber am Hauptbahnhof rumgammeln, statt zur Schule gehen“, sagt Fritz Saxowsky von der Jugendhilfe e.V., die 180 minderjährige Flüchtlinge in Hamburg betreut.

Zur Zeit gibt es knapp 3000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Hamburg, davon 1565 im Alter zwischen 16 und 18 Jahren. „Rein rechtlich ist die Entscheidung der Sozialämter einwandfrei“, sagt Sozialbehördensprecherin Christina Baumeister. Dennoch sei man in der Sozialbehörde der Ansicht, daß die Sache „hochproblematisch“ ist. Es gebe Gespräche auf Staatsratsebene, um zu einer Lösung zu kommen. Denkbar wäre eine „Fachliche Weisung“, in der Flüchtlinge als Härtefälle definiert werden.

Solch eine „Fachliche Weisung“ hatte es bis 1987 schon einmal gegeben. „Sie müßte dringend wieder eingeführt werden“, sagt Peter Gerdes von „Hude e.V.“, einem Verein, der mit obdachlosen Jugendlichen arbeitet.

Denn auch deutsche Jugendliche fallen durch den Paragraph 26 des BSHG in eine Gesetzeslücke: Schüler und Jugendliche, die einen zum Leben zu geringen Bafög-Betrag bekommen, haben keinen Anspruch auf „aufstockende Sozialhilfe“. Aber immerhin: Deutsche Jugendliche haben wenigstens Anspruch auf Bafög.

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