piwik no script img

Gaming-Plattform „Humble Bundle“Top-Spiele zum Spottpreis

Humble Bundle versteigert sonst Indie-Spiele zu Preisen, die die Käufer selbst bestimmen. Nun probiert es auch ein großer Spielehersteller – mit rekordverdächtigem Erfolg.

Die Spiele aus dem neuen THQ-Bundle sind kopiergeschützt und laufen nur auf Windows-Rechnern. Bild: screenshot: www.humblebundle.com

Vor fünf Jahren wagte die britische Band Radiohead einen revolutionären Schritt: Statt ihr Album „In Rainbows“ auf herkömmlichen Wege über eine Plattenfirma zu veröffentlichen, stellten sie ihre Musik einfach ins Netz und überließen den Fans die Entscheidung, ob und wie viel sie für die Platte zahlen wollten. Die kühne Rechnung der Musiker ging auf: Trotz aller Bedenken verdiente die Band besser als mit dem traditionell vertriebenem Vorgängeralbum.

Seitdem hat das Prinzip „Pay-What-You-Want“ viele Nachahmer in der Kreativwirtschaft gefunden: Weitere Musiker – darunter Nine Inch Nails und John Frusciante – experimentierten mit dem Vertriebsweg, ebenso wie einige Autoren.

Doch am meisten Anklang fand das Prinzip in der Indie-Szene der Spielebranche: Vor allem die Online-Plattform „Humble Indie Bundle“ nutzte das neuartige Vertriebsmodell, um mehr Käufer für die oft grandiosen, aber kommerziell wenig erfolgreichen Spiele unabhängiger Entwickler zu finden. Dafür wurden die Spiele im Bündel von fünf bis sechs Games verkauft; über den Preis bestimmte der Käufer.

Nun versucht mit der US-Firma THQ erstmals ein großer Spielehersteller seine Blockbuster-Titel auf demselben Weg zu verkaufen – und über dieselbe Plattform. Die Shooter „Metro 2033“ und „Red Faction: Armageddon“, das Action-Adventure „Darksiders“, sowie das Strategiespiel „Company of Heroes“ mit zwei Erweiterungen bilden das neue „Humble THQ Bundle“.

Beiname „Indie“ wurde gestrichen

Zwar hat die Humble Bundle-Plattform für die Kooperation mit dem US-Hersteller den Beinamen „Indie“ gestrichen, das Verkaufsprinzip bleibt jedoch das Alte: statt dem aktuellen Ladenpreis von rund 60 Euro kann der Käufer entscheiden, wie viel er für das Spielepaket zahlen will. Der Mindestbetrag liegt bei einem Dollar.

Wer mehr als den Durchschnittspreis von 5,60 Dollar ausgibt, erhält zudem den Action-Titel „Saints Row: The Third“ und die Soundtracks aller Games kostenlos dazu. Mithilfe von Schiebereglern kann der Käufer dabei bis auf den Cent genau einstellen, wie viel seines Kaufbetrags jeweils an THQ, das Humble Bundle-Team oder an eine Hilfsorganisation wie das Amerikanische Rote Kreuz fließen soll.

Der Erfolg des Angebots ist rekordverdächtig: Kein anderes „Humble Bundle“ verkaufte sich so schnell. Innerhalb von nur fünf Stunden wurde die erste Million erlöst. Mittlerweile sind mehr als 600.000 Bundles für 3,5 Millionen Dollar über die virtuelle Ladentheke gegangen. Zum Vergleich: In den Musikcharts hätte das Spiele-Paket mit solchen Zahlen Mumfords & Sons „Babel“ als schnellst verkauftes Album des Jahres abgelöst. Dennoch ist die Kooperation der einstigen Indie-Plattform mit THQ umstritten.

Seinen guten Ruf erlangte das „Humble Bundle“ vor allem dadurch, dass man unabhängige Entwickler unterstützte und auf die Wünsche der Gamer achtete: Die angebotenen Spiele wurden plattformübergreifend und ohne Kopierschutz verkauft. Gleichzeitig diente man einem guten Zweck. Insgesamt wurden so seit 2010 über 19 Millionen Dollar eingenommen, von denen nach eigenen Angaben 7,8 Millionen an Hilfsorganisationen flossen.

Mainstream-Hersteller

Die Spiele aus dem neuen THQ-Bundle sind dagegen kopiergeschützt und laufen nur auf Windows-Rechnern. Zudem verstehen viele Gamer nicht, warum das Humble Bundle-Team sich von der Indie-Szene abwendet, um einen Mainstream-Hersteller zu unterstützten.

In einer Stellungnahme rechtfertigte John Graham, Co-Gründer der Plattform, die Kooperation als eine „große Möglichkeit gleichzeitig Spieler glücklich zu machen und Gutes zu tun, die abzulehnen einfach nur arrogant gewesen wäre.“ Zudem schloss er weitere Kooperationen mit großen Herstellern nicht aus, auch wenn das Kerngeschäft der „Humble Bundles“ Indie-Spiele bleiben sollen.

Für den finanziell angeschlagenen Spiele-Hersteller THQ, der erst im Februar 240 Mitarbeiter entlassen musste, scheint sich die Kooperation indes auszuzahlen: Nach dem Start des Bundles kletterte der Aktienkurs des Unternehmens um fast 40 Prozent. Das Angebot läuft noch bis zum 12.Dezember.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • T
    T.V.

    kleinalex versteht nicht ganz was Indie heisst scheint mir. Und Humble Bundle lernt die Vorzüge des Kapitalismus kennen. Wer Geld hat profitiert, schade um den Rest. Humble - wohl nicht mehr.

  • K
    kleinalex

    Ach ja, Religion muss schön sein ...

     

    >Zudem verstehen viele Gamer nicht, warum das Humble

    >Bundle-Team sich von der Indie-Szene abwendet, um

    >einen Mainstream-Hersteller zu unterstützten.

     

    Wie kann man bloß auf "von der Indie-Szene abwendet" kommen, wenn auch mal Dinge angeboten werden, die nicht Indie sind?

     

    Tatsächlich nutzt das auch der Indie-Szene - neue potentielle Kunden lernen HumbleBundle kennen und registrieren sich vermutlich auch für den Newsletter - mit der Folge, dass künftige Indie-Angebote deutlich mehr potentiellen Käufern bekannt werden als früher.