Game-Filmkunst "Machinima": Wenn Zocker Regisseure werden

Filme aus Computerspielen basteln? Klingt absurd - doch in Zeiten, in denen 3D-Games immer komplexer werden, wird die neue Kunstform "Machinima" immer beliebter.

Simpel, aber populär: World of Warcraft-Video zu "The Internet is for Porn". Bild: screenshot youtube.com

Der wohl bekannteste "Machinima"-Film der Welt kombiniert zwei besonders beliebte Internet-Anwendungen: Das Multiplayer-Rollenspiel "World of Warcraft" und Online-Sex. Der knapp drei Minuten lange Film namens "The Internet is for Porn" ist allerdings völlig jugendfrei - es handelt sich schlicht um eine 3D-Darstellung des gleichnamigen Songs aus dem New Yorker Comedymusical "Avenue Q", in dem ein keusches, das Netz verteidigende Mädchen auf ein Monster trifft, das ständig behauptet, das Web sei nur zur Selbstbefriedigung geeignet.

Der Clip, der auf YouTube und anderswo über eine Million Abrufe seit seiner Erstellung im Jahr 2005 erzielte, zeigt, wie kreativ die Filmszenen sein können, die aus Spielen generiert wurden. Der Machinima-Sektor hat inzwischen Zehntausende Anhänger auf der ganzen Welt, man trifft sich auf eigenen Websites wie dem Portal "Machinima.com" und richtet sogar eigene Videofestivals aus - eine eigene "Academy of Machinima Arts and Sciences" macht dem Oscar-Komitee Konkurrenz und kürt regelmäßig die besten Filme mit den so genannten "Mackie Awards", zuletzt im November in New York.

Das Angebot ist reichhaltig: Vom Krimi bis zum Comedy-Streifen ist alles dabei. Der Gewinner zeigte, wie viel mit der Technologie schon funktioniert: In "The Ship" von Egils Mednis gehen ein Mann und sein Sohn durch eine eintönige Schneelandschaft und bleiben dabei stumm. Die Animation der Gesichter und die Bewegungen sind trotzdem so lebensecht, dass der Zuseher stets dabei bleibt.

Machinima, das ein Kunstwort aus den Begriffen "Machine" (Maschine), "Cinema" (Kino) und "Animation" (Animation) ist, kann relativ einfach wie "The Internet is for Porn" gestaltet sein - aber auch hochkomplex. Grundsätzlich ist jedes Computerspiel geeignet, das nur ausreichend schöne Grafik besitzt. Neben "World of Warcraft" gelten der Shooter "Halo" und seine Nachfolger als besonders beliebt, außerdem greifen Machinima-Künstler auch gerne zur actionreichen "GTA"-Serie, in der sich der Spieler grundsätzlich frei bewegen und zahlreiche Fahrzeuge verwenden kann.

Mancher Machinima-Künstler erstellt richtige Drehbücher, um die von ihm gewünschte Aktion genau nachstellen zu können; einzelne Szenen werden dann aneinander gefügt, gespeichert direkt am Rechner mit Hilfe einer so genannte Screencasting-Software, die alles, was sich am Bildschirm tut, mitzeichnet. Sind die Szenen im Kasten, werden sie im Nachhinein wie ein Zeichentrickfilm synchronisiert und mit ganz normalen Schnittprogrammen, wie man sie für Heimvideos nutzt, zusammengesetzt. Zum Schluss wird der Film dann auf eine populäre Internet-Plattform hochgeladen und der Regisseur und sein Team hoffen, dass er bei den Fans des Genres gut ankommt.

Populär als Machinima-Plattform ist außerdem die frei gestaltbare 3D-Welt "Second Life", weil man dort auch eigene Gegenstände aufbauen und integrieren kann. Dort finden schon jetzt ganze Live-Konzerte statt, die mit virtuellen Kameras aufgezeichnet werden und dann in der Endfassung sehr nah an ein echtes Musikerlebnis herankommen. Auch in Deutschland wächst die Machinima-Szene. Beim Jugendfilmfestival "Flimmern & Rauschen", das Ende Januar in München über die Bühne geht, ist in diesem Jahr einer der Wettbewerbsbeiträge ein komplett in einem Computerspiel entstandener Streifen.

Auf "Machinima.com", einem der zentralen Anlaufpunkte der Szene, wurde vor kurzem ein Comedy-Labor gestartet, in dem explizit Komödien erstellt werden sollen. Ziel ist es, ähnliche Formate wie "Simpsons", "Seinfeld" oder "Saturday Night Live" in den Rechner zu holen. Dazu hat das Unternehmen, das erst kürzlich vier Millionen Dollar Risikokapital einwerben konnte, sogar professionelle Autoren aus dem Film- und Fernsehbereich engagiert. Tatsächlich interessieren sich inzwischen auch Profis für den Sektor. Eine Episode der Cartoonserie "South Park", in der es um "World of Warcraft" ging, spielte 2006 zu großen Teilen komplett in der Online-Welt. Bei "Machinima.com" hat man inzwischen ein großes Publikum: Allein im November wurden dort 38 Millionen Videos abgerufen.

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