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Gambia: Putsch der Frontschweine

■ Meuternde Liberia-Friedenstruppen haben Präsident Jawara gestürzt

Berlin (taz) – Es war ein afrikanischer Militärputsch in klassischer Tradition. Rebellierende Soldaten besetzten am Freitag den Flughafen und ein Elektrizitätswerk und blockierten die zum Regierungsviertel führende Brücke. Nach schweren nächtlichen Feuerwechseln floh am nächsten Morgen der Staatspräsident; die Meuterer kündigten per Privatradio ihre „unblutige“ Machtergreifung, die Bildung einer Militärjunta, die Aufhebung der Verfassung, das Verbot der politischen Parteien und eine nächtliche Ausgangssperre an. Die Mitglieder der ehemaligen Regierung, hieß es, sollten sich umgehend zur nächsten Polizeistation begeben.

Der Putsch im westafrikanischen Gambia, das nur 900.000 Einwohner hat und dessen Armee ganze 1.500 Soldaten zählt, wäre für sich genommen nicht weiter spektakulär. Wichtig wird er dadurch, daß er delikate politische Interessen in Westafrika tangiert. Der gestürzte Präsident Dawda Jawara, 70 Jahre alt und Staatschef seit 24 Jahren, war ein treuer Verbündeter der westafrikanischen Regionalmacht Nigeria und ein williger Helfer bei der nigerianischen Interventionspolitik im Bürgerkriegsland Liberia. In Gambia wurde die Idee einer Westafrikanischen Eingreiftruppe (Ecomog) geboren, die seit 1990 in Liberia die Machtergreifung des nigeriafeindlichen Guerillaführers Charles Taylor zu verhindern sucht. In Gambia hielt sich die Exilregierung auf, die im September 1990 von nigerianischen Truppen in Liberias Hauptstadt Monrovia eingesetzt wurde. Die meuternden Truppen, die Jawara gestürzt haben, sind einfache Soldaten, gerade aus Liberia zurück – der dritte Protest von Ecomog-Einheiten in Gambia seit 1990. Ihr Putsch richtet sich auch gegen die Armeeführung Gambias, die seit 1990 aus nigerianischen Generälen besteht.

Zunächst war es bei der Meuterei nur um die Zahlung von drei Monaten Sold gegangen. Zulauf erhielten die Rebellen, nachdem Jawara am Donnerstag einen beliebten hohen Armeeoffizier verhaften ließ. Nach ihrem Sieg erklärten sie, „der Korruption“ ein Ende bereiten zu wollen, was sich auf wachsende Kritik an Jawara in den letzten Monaten wegen Nichtbestrafung korrupter Regierungsmitglieder bezog. Ihrem Putsch ist jetzt aber auch die parlamentarische Demokratie zum Opfer gefallen, die im Gambia älter ist als in den meisten Ländern Afrikas.

So ist nun zum zweiten Mal eine westafrikanische Regierung von ihren Liberia-Soldaten gestürzt worden – zuerst geschah dies 1992 in Sierra Leone. Die Mitglieder der neuen Militärjunta in Gambia werden als Yayah Janneh, Sadibu Hydara, F.D. Sabali und I. Signateh angegeben. Der gestürzte Präsident Jawara hält sich zusammen mit Familie und Beratern auf dem US-Landungsschiff „La Moure County“ auf, das sich zur Zeit der Meuterei „routinemäßig“ vor der Küste Gambias aufhielt. Von dort möchte er mit den Putschisten verhandeln, was diese aber nicht wollen. Ein Diplomat sagte der Nachrichtenagentur IPS, Jawara werde vermutlich irgendwann per Radio behaupten, er sei in der Hauptstadt und habe die Lage im Griff.

Entscheidend könnte hier die Reaktion des Nachbarn Senegal sein – der Kleinstaat Gambia schlängelt sich vom Atlantischen Ozean 300 Kilometer weit in zwei schmalen Uferstreifen am Gambia-Fluß entlang in ansonsten senegalesisches Staatsgebiet hinein. Beim letzten Putschversuch gegen Jawara, 1981 während seiner Anwesenheit bei der Hochzeit von Prinz Charles und Lady Di, rückten senegalesische Truppen ein und verhinderten den Staatsstreich, wofür sich Jawara mit einem kurzlebigen Vereinigungsversuch beider Länder bedankte. Auch jetzt haben senegalesische Truppen wieder an der Grenze Position bezogen. Ein gambischer Diplomat gegenüber IPS: „Wenn die Senegalesen einrücken wie 1981, wird es viel Blutvergießen geben.“ Aber die meisten Beobachter glauben nicht an einen Einmarsch, und auch aus Senegal kommen ablehnende Signale. Dominic Johnson

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