Gallisches Dorf

„Die Bremer Bildhauerschule – Figur zwischen Fundament und Fundamentalismus“ im Gerhard Marcks Haus

Der Mensch galt in der Kunst schon als tot. Man diskutierte über Abstraktion, suchte neue Wege und Grundsätze. Nur ein gallisches Dorf leistete Widerstand und stellte den Menschen ins Zentrum der Arbeit. Das Dorf hieß Bremen. In der Bremer Bildhauerschule steht seit dreißig Jahren die menschliche Figur im Mittelpunkt.

Das Gerhard Marcks Haus zeigt nun die Ausstellung „Die Bremer Bildhauerschule – Figur zwischen Fundament und Fundamentalismus.“ 1973 und 1975 traten die Bildhauer Waldemar Otto und Bernd Altenstein ihre Professuren an der damaligen Bremer Hochschule für Gestaltung an. In dieser Bildhauerschule stand – und steht noch heute – die menschliche Figur im Mittelpunkt. Obwohl seit dem Ersten Weltkrieg in regelmäßigen Abständen das Ende der menschlichen Figur verkündet wurde, hat sie sich hier als äußerst resistent erwiesen.

Die unterschiedlichen Arbeitsweisen Altensteins und Ottos sind in einem Raum komprimiert zu sehen. Ottos Werke sind ausgerichtet, bieten eine Richtung und eine Hauptseite. An der Rückseite sind sie hingegen hohl. Altensteins Figuren breiten sich im Raum aus und sind von vielen Seiten anzusehen. So unterschiedlich wie die Werke, so unterschiedlich waren auch die Lehrmethoden. Was Waldemar Otto an einem Tag bei den Entwürfen der Studenten weggestrichen hat, das fügte Altenstein am nächsten Tag wieder dazu.

Präsentiert werden Werke der beiden Protagonisten sowie 23 Arbeiten ehemaliger und heutiger Studenten. Schon die vielen Materialien bieten eine große Bandbreite: Holz, Pappe, Terrakotta, Oberkirchener Sandstein, Bronze, Carrara-Marmor.

Und so unterschiedlich wie die Stoffe sind auch die Werke. An der figürlichen Darstellung erfreuen sich die Meisten, sind sie doch eher zu verstehen als abstrahierte Klötze. Es geht um die Beziehung zwischen Figur, Form und Raum. Der Maßstab bestimmt einen großen Teil der Wirkung der Figur. Zum Beispiel Ellen Sturms „Kämpferin, sich aufrichtend“ (Terrakotta, 2004). Einen Kämpfer stellt man sich groß, muskulös und beeindruckend vor, doch dieser ist klein wie eine Puppe und zudem noch knuffig-pummelig. Elisabeth Wischeropps Bronzefigur („ohne Titel“, 2000) ist zwar ärgerlich und wütend. „Hey, Mann, was willst du?“, fordert sie den Betrachter auf. Doch der kleine Mann ist nur etwa fünfzig Zentimeter groß und wirkt deswegen eher wie ein süßer Zwerg. In dem selben Raum findet sich auch Markus Keulers „Flieger“ (2002) aus Pappelholz. Etwa 1, 30 Meter groß und ein veträumter, mit dem Ausdruck der Verzückung in der Luft schwebender Mann. Obwohl er auf dem Boden steht.

Einen guten Überblick über dreißig Jahre Bremer Bildhauerschule zeigt die Ausstellung. 120 Bildhauer haben in der Zeit hier studiert, vierzig davon sind noch als aktive Künstler tätig, viele sind der Figur verbunden geblieben.

Anna Postels

bis 7. November, Di-So 10-18 Uhr