Gala der Berliner Hausprojekte: Eine Villa, ein Weg, eine Party
Bei der Gala „Kein Haus weniger“ im Festsaal Kreuzberg trafen sich die Hausprojekte Berlins. Das Programm dauerte fast so lang wie der Häuserkampf.
Auf einer animierten Karte im Internet finden sich alle besetzten Häuser in Berlin seit 1970. Mit einem Zeitstrahl kann der Verlauf nachvollzogen werden. Dass die Frage danach, wem die Stadt gehört und dem Sinn von Miete und Privateigentum in Berlin gestellt und beantwortet wird, leuchtet auf dieser Seite schnell ein. Ein Leben ohne Großgrundbesitzer*innen und Monatsmiete scheint möglich.
Auf diese Erfolgsgeschichte der Berliner Hausprojekte in allen Stadtteilen berufen sich die Veranstalter von „Kein Haus weniger“: Am Sonntag trafen sich nun Besetzer*innen von gestern und heute zur Gala im Festsaal Kreuzberg. Zusammen mit einer Vielzahl von Unterstützer*innen aus der Mietenbewegung, der Kulturproduktion und der Wissenschaft luden sie dazu ein, sich für die vergangenen und künftigen Kämpfe zu feiern. Auch für jene, die verloren wurden.
Rund 591 per Klick gezählte Gäste zahlten am Abend eine Spende am Eingang, ungezählte kamen ohne Obulus hinein. Rund 150 Veranstalter*innen und Helfer hatten seit dem Nachmittag alles vorbereitet. Im Nebensaal mit Stante-Pede-Bühne wurden Speisen von den beteiligten Gruppen feilgeboten. Schautafeln zeigten die einzelnen Geschichten der Hausprojekte.
„Wo eine Villa ist, ist auch ein Weg“, verkündete ein Transparent über der Galerie im Festsaal. Die beiden Moderatorinnen der Gala, Gisela Sommer und Jackie O. Weinhaus, führten durch den fünfstündigen Abend mit Musik und kurzen Ansprachen, der ein Hin- und Hergehen zwischen Saal, Nebenräumen und Veranda möglich machte. Trotz des zum Herumlaufen und Plauschen einladenden Arrangements hielten Musiker wie „Pastor“ mit seinem an die spätmodernen Disco-Rap-Orgien der Gruppe „Deichkind“ erinnernden Kunstperformance das Publikum kontinuierlich im Saal.
Mit Applaus wurde auch nicht gespart für die Ansprachen von Vertreter*innen der Hausprojekte. So machte etwa Kai von Anti-Akelius klar, dass die „14.500 Wohnungen in 900 Berliner Häusern“ des Akelius-Konzerns zu einer Vernetzung mit anderen renitenten Mieter*innen des Konzerns „in Hamburg, London, Toronto und New York“ geführt haben. „Die Häuser müssen in Selbstverwaltung überführt werden!“, ist die Forderung des Mieter*innenvertretung, „Gemeineigentum“ oder „Kollektivbesitz der Projekte“ sind die Zielvorstellungen. Mieten dürften „die Instandhaltung nicht übersteigen“.
„Nach 15 Jahren Aktivismus ist das eine verdientes Fest!“, resümiert Patty von der digitalen Ökoinitiative „Bits und Bäume“, der bei den Veranstaltern von „Staub zu Glitzer“ nochmal aushilft, um den Abend über die Bühne zu bringen. Peter Lucas, Projektveteran, der zusammen mit einer freien Performancegruppe aus den Projekten der Mansteinstraße und der Lottumstraße gekommen ist, freut sich ebenfalls: „Utopia bleibt machbar!“.
Aktivistin Patty
Lavendel von einer Antifa-Jugendgruppe aus Charlottenburg will weitermachen. Denn was die von den Veranstalter*innen verlinkte oben genannte Karte auch zeigt, ist, dass viele Hausprojekte wieder vertrieben worden sind, die Zahl aber insgesamt hoch bleibt und wieder wächst.
Auf der Stegreif-Bühne macht eine Sängerin auch auf selbst verursachte Probleme aufmerksam. „Kein Gott, kein Staat, keine Arbeit, kein Geld“, singt sie gekonnt. Denn bei der Selbstverwaltung sinken Produktivität und Konsummöglichkeiten. An die Stelle des Marktes tritt die Moral. Die erheblichen Getränkepreise des Festsaals und die disziplinierte Organisation führten immerhin zu einem überwiegend nüchternen und durchweg gelungenen Festakt ohne Sponsoren.
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