Gaddafis Bunker in Tripolis: Ein bombensicheres Versteck
Jugoslawien baute bis 1990 die Bunkeranlage in Tripolis. Selbst der Nato wird es schwerfallen, den Bau zu knacken, sagt ein hoher Funktionär, der daran beteiligt war.
SPLIT taz | "Ab Anfang der achtziger Jahre haben wir in Libyen Bunker gebaut," erinnert sich Mehmed K.*, ein ehemals hoher Funktionär im sozialistischen Tito-Staat, der im Außenhandel Jugoslawiens tätig war, gegenüber der taz. In einem dieser von Jugoslawien errichteten Bunker unter der Hauptstadt Tripolis soll sich Muammar al-Gaddafi versteckt halten.
In einem vergleichbaren Bunker wie im bosnisch-herzegowinischen Konjic, den der damalige jugoslawische Staatschef Josip Broz, genannt Tito, in den siebziger Jahren für 6 Milliarden Dollar errichten ließ. Versteckt zwischen hohen Bergen im Tal der Neretva ist die einstmals streng geheime über 6500 Quadratmeter große Anlage jetzt für Besucher geöffnet.
"Bomben", sagt Mehmed K. mit einem Lächeln, "hätten hier nichts ausrichten können. Nicht einmal Nuklearwaffen." Er ist sichtlich stolz darauf. "Wir hatten in Jugoslawien durch den Bau der Bunker in Konjic und Han Pijesak einfach das technische Know-how für den Bau solcher Anlagen."
Der jetzt in Sarajevo lebende, inzwischen betagte Mehmed K. hielt sich in den achtziger Jahren drei Jahre lang in der libyschen Hauptstadt auf. Noch bis 1990, kurz vor dem Krieg in Jugoslawien, "gingen die Bauarbeiten in Libyen weiter". Führend waren zwei Firmen - die in Belgrad ansässig Firma "Rad" und "Bosna" aus Sarajevo. Mehmed K. war zudem daran beteiligt, Produkte ausländischer Firmen für den Bau der Bunker Gaddafis einzukaufen. So berichtet er, dass Siemens das Belüftungssystem und MAN die Generatoren für die Notstromsysteme geliefert hätten. Schweizerische Firmen seien ebenfalls beteiligt gewesen.
"Die Anlage in Tripolis ist noch weit größer als es die Bunker in Bosnien und Herzegowina sind," sagt Mehmed K., sagte er. "Gesehen habe ich persönlich bei den Bauarbeiten das Teilstück, das den Palast Gaddafis mit der Geheimdienstzentrale, einem Hotel und dem Grünen Platz verbindet."
Unabhängiges Versorgungssystem
Das Tunnelsystem dürfte jedoch noch viel weitläufiger sein. "Das Gesamtprojekt war ja streng geheim." Geheime Gänge sollen unter der ganzen Stadt entlangführen, ein Labyrinth, über das angeblich auch der Flughafen, der Hafen und getarnte Ausgänge an verschiedenen Orten der Stadt erreichbar sind.
Im vergleichbaren Bunker in Konjic sind die einzelnen Teilabschnitte der Tunnel durch zum Teil 40 Zentimeter dicke Stahltüren gesichert. Ein Gewirr von Gängen führt zu Schlaf- und Wohnräumen der Mannschaften, die Anlage verfügt über ein eigenes internes Telefonsystem. Sie ist mit der modernsten Technik der damaligen Zeit ausgestattet, abhörsichere Leitungen gehören ebenso dazu wie Sendeanlagen. Im Kern des Bunkers waren die Wohn- und Arbeitsräume Titos untergebracht, die ebenfalls durch Stahltüren gesichert sind. Die Tunnelröhren sollen insgesamt mehrere Hundert Kilometer lang sein. Wie in Tripolis führen in der Anlage bei Konjic die Tunnel zu versteckten Ausgängen, in Konjic in die umliegenden Wälder.
"Das unabhängige Versorgungssystem mit Wasser, Luft und elektrischer Energie sowie mit den gebunkerten Lebensmitteln erlaubten es, 350 Menschen über ein halbes Jahr zu versorgen," erklärte Mehmed K. bei dem Besuch des Bunkers in Konjic.
Der unterirdische Komplex in Tripolis dürfte Konjic weit übertreffen und ebenfalls mit der modernsten Technik der Telekommunikation ausgerüstet sein, vermutet Mehmed K. Und noch was: "Es gab ja nicht nur Mannschafts- und Diensträume, es gab dort sogar Laboratorien." Laboratorien in Tripolis? "Dort wurde Nuklearforschung betrieben, bei der auch Wissenschaftler aus Jugoslawien, vor allem aus Serbien, beteiligt waren."
Gaddafi unterstützte Milosevic
Erst 2003 wurde das Atomprogramm von Libyen im Gegenzug zu der Aufhebung des Embargos gestoppt. "Und jetzt fragen Sie mal, warum Gaddafi während des Krieges in Bosnien von 1992 bis 1995 den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic unterstützt hat?" Es sei auch zur militärischen Zusammenarbeit gekommen. Serbien habe libysche Piloten ausgebildet und Waffen an Gaddafi geliefert.
"Das haben die die westlichen Staaten Frankreich, Italien und andere allerdings auch getan". Noch vor einem Jahr aber sei eine serbische Delegation nach Tripolis gereist, jetzt noch sollen sich zwei serbische Militärberater bei Gaddafi aufhalten. Dies habe ihm ein hoher libyscher Diplomat erst an diesem Donnerstag mitgeteilt.
Die atombombensicheren Bunker Libyens sind militärisch nicht leicht zu knacken. Ob dies die Aufständischen allein schaffen, ist mit Blick auf die bosnischen Anlagen unwahrscheinlich. "Die Aufständischen brauchen die Hilfe von Spezialisten der Nato, und selbst denen wird das nicht leicht fallen, die Bunker zu zerstören," glaubt Mehmed K. aus Sarajevo.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär