piwik no script img

Archiv-Artikel

■ Gabriele Goettle ließ Anna Bergmann zu Wort kommen. Diese erhebt „Einspruch gegen Organtransplantationen“ Hinter die Aufklärung zurück

betr.: „Letzte Zuckungen“ von Gabriele Goettle, taz vom 27. 12. 05

Mit dem an Zynismus kaum zu überbietenden „Einspruch gegen Organtransplantationen“ stellt Frau Goettle vom Thema Organtransplantation betroffene Menschen auf eine harte Probe.

1. Die Ausführungen über die grausame Geschichte der Anatomie vermögen Ekel und Angst zu erregen, sind aber für das Thema wenig sachdienlich, es sei denn, man will sich den Erkenntnissen der Anatomie und der sich darauf gründenden Chirurgie völlig entziehen. Jede Operation zum Beispiel zur Wiederherstellung eines gebrochenen Knochens oder eines zerstörten Gelenks gründet sich ebenso auf die Erkenntnisse der Anatomie. Lehnt Frau Bergmann auch diese Folgen der Anatomie ab? Will sie hinter die Aufklärung zurück zu den Methoden der mittelalterlichen Behandlung Kranker?

2. Die technische Möglichkeit der Organtransplantation wirft in der Tat die Frage der Definition des Todes neu auf. Ich für meinen Teil wäre im Falle eines unumkehrbaren Versagens meiner Hirnfunktionen bereit, meine Organe einem anderen Menschen zur Lebensverlängerung zur Verfügung zu stellen. Ich finde, diese Vorstellung hat sogar etwas Beruhigendes. Die Empfänger – immerhin schwer kranke Menschen – in die Nähe des Kannibalismus zu rücken und dies unkommentiert in der taz zu veröffentlichen, ist menschenverachtend.

3. Meine Tochter lebt seit sechs Jahren gut mit einer transplantierten Niere. Trotz vieler Medikamente und ärztlicher Kontrolle ist sie ein lebensfroher und liebenswerter Mensch. Ginge es nach Bergmann/Goettle, könnte ich sie nur noch auf dem Friedhof besuchen!

Der Artikel ist voll von Halbwahrheiten. Er ist durchdrungen von der Angst vor dem Messer des Chirurgen. Dieses mag Rückschlüsse zulassen über die psychische Verfasstheit von Frau Bergmann oder Frau Goettle, die mich aber nicht interessiert. Gut, dass Frau Bergmann keine „Scientific (oder sonstige) Community“ hat.

HEINRICH KAUTZKY, Kiel