GRÜNES STEUERKONZEPT ZEIGT AUCH DIE ZERRISSENHEIT DER PARTEI : Um wichtige Fragen herumgedrückt
Die Grünen haben sich Zeit gelassen: Erst deutlich nach CSU, SPD, FDP und Linken legte die Partei ihre Vorstellungen zur künftigen Steuerpolitik vor. Zum Teil hat sich die Geduld gelohnt: Die Grünen haben eine Reihe sinnvoller Forderungen zu einem Paket geschnürt, das auf den ersten Blick überzeugend wirkt.
Wie die CSU setzt die Partei auf einen höheren Grundfreibetrag – eine richtige Reaktion auf den Anstieg von Inflation und Löhnen. Wie die SPD fordern die Grünen niedrigere Sozialabgaben für Geringverdiener – was ebenfalls sinnvoll ist, weil Menschen mit sehr niedrigen Einkommen ohnehin keine Steuern zahlen und somit von höheren Freibeträgen auch nicht profitieren. Und wie die Union legt sich die Partei darauf fest, dass die Sanierung der öffentlichen Haushalte nicht durch neue Steuerausfälle gefährdet werden darf.
Aus dieser Vorgabe folgt, dass es eine Gegenfinanzierung für die geplanten Entlastungen braucht. Doch bei der Frage, wen sie zusätzlich belasten wollen, bleiben die Grünen unkonkret. Weder legen sie sich fest, wo die „mittleren Einkommen“ enden, die entlastet werden sollen, noch äußern sie sich dazu, ab welcher Einkommenshöhe künftig der auf 45 Prozent erhöhte Spitzensteuersatz gelten soll. Diese Frage ist kein Detail, sondern entscheidend dafür, wer stärker zur Kasse gebeten wird – und ob die Gegenfinanzierung funktioniert.
Keine einheitliche Linie hat die Partei auch zur Abgeltungssteuer gefunden, mit der die große Koalition die Steuern auf Zinsen und Dividenden reduzieren will. Die Parteilinken wollen dieses Geschenk an Vermögensbesitzer zurücknehmen, der wirtschaftsliberale Flügel plädiert gegen einen erneuten Systemwechsel. An diesem Streit zeigt sich die wirtschaftspolitische Zerrissenheit der Grünen. Setzen sie darauf, sich als Steuersenkungspartei für den Mittelstand zu profilieren, koalitionsfähig auch mit FDP und Union? Oder bleibt Steuerpolitik für sie ein Instrument der Umverteilung? Beides wäre legitim – aber spätestens im Wahlkampf können sich die Grünen um eine Antwort nicht mehr drücken. MALTE KREUTZFELDT