GRÜNE SOLLTEN CASTOR-BLOCKADEN GELASSEN ENTGEGENSEHEN: Symbolischer Akt
Wenn demnächst wieder Castoren über deutsche Gleise rollen, wird es noch einmal spannend. Nicht, weil die Grünen dann vor einer Zerreißprobe stehen, wie manche Leitartikler freudig spekulieren. Auch nicht, weil die Polizei dann rot-grüne Politik gegen Castor-Blockierer vollzieht. Das wird aussehen wie immer. Nein, spannend wird es, weil sich zeigen wird, wie viel Protest sich überhaupt noch gegen Castoren mobilisieren lässt.
Eigentlich sollte den Grünen ein Protest gegen die Atomkraft willkommen sein. Schließlich ist die Energiewende ein urgrünes Anliegen. Stattdessen stimmt die Partei hektisch bis in die Bezirksverbände hinein detailliert ab, wie weit ein Grüner in seinem Protest gehen soll und darf: Ein guter Grüner protestiert nur gegen unsichere AKWs (Parteiratsbeschluss), ein Basisgrüner darf auch gegen Castoren sein und demonstrieren (Länderbeschluss), Castoren blockieren ist aber nicht mehr in Ordnung (fast alle einig). Dies unterstreicht einmal mehr das neurotische Bestreben der Partei, aller Welt zu beweisen, wie berechenbar man doch ist.
Die Castor-Blockade dient vor allem als Symbol; Umweltminister Trittin schießt deutlich übers Ziel hinaus, wenn er sagt, dass eine Blockade des Transportes aus Frankreich falsch sei, weil wir unseren Müll zurücknehmen müssen. Es glaubt niemand – außer wenigen Protestromantikern –, dass sich der Castor dauerhaft aus Gorleben fernhalten lässt. Es geht um ein Zeichen gegen die Atomkraft.
Für diesen symbolhaften Kampf ist die grüne Unterscheidung zwischen guten und schlechten Transporten völlig ungeeignet, da überkomplex. Sie lässt sich in den normalen Fernsehnachrichten nicht vermitteln. Den Protestierenden ist sie sowieso egal. Manchen Demonstranten geht’s auch gar nicht um den Müll, der in den Castoren rollt, wie Trittin zu unterstellen scheint: Viele Dannenberger etwa wollen den Transport blockieren, um zu zeigen, dass sie Gorleben als Endlager für völlig ungeeignet halten. Bedenken, gegen die auch Trittin nichts einwenden kann. Dazu kommen Demonstranten aus der ganzen Republik, die ganz generell gegen Atomkraft demonstrieren wollen. Vor Ort werden sich all diese Motive vermischen – und bei niemandem wird sich klar auseinander halten lassen, ob er nur demonstriert oder schon blockiert – und wogegen er exakt ist.
Schließlich wird nur eines wirklich interessieren: wie viele nach dem Atomkonsens überhaupt noch zur Demo kommen. Und die Grünen, allen voran Trittin, sollten die Gelassenheit besitzen, die Aktionen als eine Unterstützung für ihr Anliegen zu werten. MATTHIAS URBACH
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