GM-Krise bedroht Bochumer Opelwerk: Automobilarbeiter kampfbereit
Die großen Automobilkonzerne in den USA kämpfen ums Überleben und geben den Druck an die europäischen Töchter weiter. Jetzt kommt die Krise bei Opel in Bochum und dessen Zulieferern an.
Opel-Betriebsrat Franco Biagiotti gibt sich kämpferisch. "Wir sind und werden kein zweites Nokia", sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Bochumer Opel-Werks. An einen Konkurs des US-amerikanischen Opel-Mutterkonzerns General Motors (GM) will Biagiotti noch nicht denken. Doch der Bochumer Betriebsrat weiß: "General Motors frisst das Geld so schnell auf, so schnell können wir das gar nicht verdienen."
Der ehemals größte Autobauer der Welt steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Schon am Montag setzten Analysten der Deutschen Bank das Kursziel der Aktien auf null herunter. Noch vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack Obama brauche sein Unternehmen eine Finanzspritze, fordert GM-Chef Rick Wagoner angesichts eines Nettoverlusts von 2,5 Milliarden Dollar im dritten Quartal. Seit Anfang 2005 hat der Autobauer 57 Milliarden Dollar verbrannt.
Der Niedergang bedroht auch die europäische Tochter Opel. Das Bochumer Werk, das noch immer über 5.000 Menschen beschäftigt, könne genauso schnell verschwinden wie die Bochumer Fabrik des Handyherstellers Nokia, meint der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer.
Stefan Bratzel vom Center of Automotive der Fachhochschule Bergisch Gladbach warnt vor Panikmache. Doch auch er glaubt: "GM wird wie Ford noch mehr Druck auf die europäischen Töchter machen." Die Kapazitäten der Opel-Werke in Rüsselsheim, Bochum und Eisenach müssten "nach unten angepasst werden". Jahrelang hätten sich die drei großen US-Autokonzerne Überkapazitäten und eine völlig verfehlte Modellpolitik geleistet. Noch heute besteht ein Großteil ihrer in den USA angebotenen Wagen aus überdimensionierten Geländewagen mit horrendem Spritverbrauch.
Angesichts der drohenden Pleite versuchten die Konzernmütter GM und Ford jetzt, Kosten auf ihre Töchter in Europa zu verschieben und eine höhere Rendite aus ihnen herauszupressen. Nach Angaben des Opel-Gesamtbetriebsratschefs Klaus Franz verlangt allein GM Einsparungen von 750 Millionen Dollar. Zwar versichern Opel-Sprecher in Rüsselsheim, die Zukunft der deutschen Werke sei gesichert - für die hessische Zentrale gebe es einen Standortsicherungsvertrag bis 2010, für Bochum sogar bis 2016. Auch Investitionen in neue sparsamere Modelle würden "durchgezogen", so die offizielle Sprachregelung. Für den Automobilexperten Bratzler aber ist angesichts eines prognostizierten Produktionsrückgangs von über sechs Prozent klar: "Das wird Arbeitsplätze kosten."
Besonders hart trifft es die Zulieferer. "Seit Anfang Oktober haben wir allein in unserem Bochumer Werk 35 Zeitarbeiter entlassen müssen", sagt Astrid Schafmeister von der Firma Johnson Controls, die Sitzgruppen für die Opel-Modelle Astra und Zafira sowie für den Ford Fiesta herstellt. Dazu kommen europaweit 200 Stellen in der Verwaltung, davon 100 in Burscheid. Betroffen sei auch das Entwicklungszentrum in Grefrath: Dort fallen 200 Jobs weg. Und erst am Donnerstag kündigte der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich an, einen Werksneubau im bayerischen Moosburg verschieben zu wollen. Die Begründung: die Absatzrückgänge von Kunden wie Opel, Mercedes oder BMW.
Trotzdem haben Forderungen von Opel und Ford nach Staatshilfen wohl keine Chance. "Die Opelianer haben einen Knall", so etwa CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer in einer ersten Reaktion. Stattdessen will die große Koalition im Mai weiter über mögliche Steuerbefreiungen für Neuwagen streiten.
"Der Staat kann nicht jedem notleidenden Unternehmen beispringen", sagt selbst der Bochumer Opel-Betriebsrat Biagiotti. Der Arbeitnehmervertreter glaubt an die Stärke der Belegschaft. Die habe eine drohende Schließung schon 2004 verhindert - mit Streiks, die die gesamte Produktion in allen europäischen Opel-Werken stilllegten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Hamas und Israel werfen sich gegenseitig vor, Gespräche zu blockieren