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GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT: DAS KANN IM OSTEN NICHT GELTENDie Gerechtigkeitslücke muss bleiben

Polizeiwachtmeister Schmidt aus Jena arbeitet einige Stunden mehr als sein Kollege aus Heilbronn. Dafür bekommt er aber weniger Geld. Das ist doch ungerecht! In Dresden gingen deswegen gestern tausende auf die Straße. Die Forderungen von Polizeigewerkschaft, ÖTV und Beamtenbund: Tarifanpassung sofort! Oder wenigstens in den nächsten drei Jahren! In jedem Fall für alle – Ost wie West – fünf Prozent mehr Lohn!

Natürlich müssen die Gewerkschaftsforderungen höher liegen als das zu erwartende Ergebnis. Eine verantwortungsvolle Gewerkschaft muss aber auch die Leistungskraft des Arbeitgebers im Auge haben. Und nach Berechnungen des Hallenser Instituts für Wirtschaftsforschung liegt im Osten die Leistungsfähigkeit bei etwa 60 Prozent des Westdurchschnitts, das Lohnniveau aber bei 74 Prozent. Nicht nur, dass Beamten einen krisenfesten Job haben. Sie liegen mit 86,5 Prozent des Westeinkommens auch weit über dem Ostdurchschnitt. Eigentlich kein Grund zum Klagen.

Die von der ÖTV bundesweit geforderte Lohnerhöhung um fünf Prozent würde jährlich 20 Milliarden Mark kosten. Das hat Georg Milbradt, Sachsens Finanzminister und Verhandlungsführer der Länder, ausgerechnet. 20 Milliarden Mark – das ist so viel, wie etwa das gesamte Bundesland Sachsen-Anhalt jährlich ausgeben kann. Nimmt man die Kosten zur Lohnangleichung an das Westniveau dazu, dann ist unnötig zu erwähnen, dass die nackten Länder Ostdeutschlands nicht einmal einen Bruchteil dieser Summe aufbringen können.

Die Gewerkschaften fordern also: Liebe Westländer, rückt für die Staatsdiener im Osten mehr Geld raus. Allerdings versäumen sie, das ihren Mitgliedern in Alt-Bundesdeutschland so zu sagen. Aus gutem Grund: Der Osten kann nicht alle vierzehn Tage neue Milliarden fordern. Gerade wurde im Rahmen des Solidarpaktes ein Finanzbedarf von 500 Milliarden Mark bis 2015 präsentiert. Wohlgemerkt für Abwasserschächte, Industrieansiedlungen oder Straßenausbau. So soll die Strukturlücke überwunden werden, damit der Osten irgendwann auf eigenen Füßen stehen kann.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das Tarifgefälle ist unbestritten eine Gerechtigkeitslücke im neuen Deutschland. Sie kann aber nur im gesellschaftlichen Kontext abgebaut werden. Erst wenn die Steuerkraft des Bauern aus Mecklenburg ungefähr der seines Kollegen aus Niedersachsens entspricht, ist das Bundesland auch in der Lage, seinen Staatsdienern den gleichen Lohn wie in Niedersachsen zu bezahlen. Wer jetzt das knappe Geld in Beamtensold investieren will, gefährdet den Aufbau Ost. Das geht zu Lasten aller Deutschen. Die aktuellen Forderungen sind deshalb ungerecht. NICK REIMER

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