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GG, der Wiedergänger

■ Das spannendste Theaterereignis der Spielzeit kommt erst noch: Am Samstag hat Johann Kresniks Projekt Gründgens im Schauspielhaus Premiere

Nach irgendeiner Hamburger Theaterpremiere. Noch braust der Applaus, da sind ein Herr und eine Dame bereits auf dem Weg zur Garderobe. Kurz sehen sie sich an, zu sagen brauchen sie kein Wort, sie sind sich einig: Das war mal wieder nichts gewesen. Und dann sagt einer von ihnen den folgenschweren Satz, in den sie ihr Gefühl kleiden, seit nun schon mehr als 30 Jahren betrogen worden zu sein durch moderne Autoren, Bühnennackte und sonstige Schmierfinken: „Bei Gründgens, da war das anders.“ Und ein melancholisches Lächeln gleitet über die Lippen.

Kein Zweifel, der Geist von Gustaf Gründgens geht noch um in dieser Stadt. Auch Johann Kresnik hat ihn bereits gespürt. „Überall in diesem sehr mystischen Haus begegnet man noch Gustaf Gründgens“, sagt Kresnik und blickt sich im Oberrangfoyer, wo das Pressegespräch stattfindet, suchend um. „Da gibt es diese Büste irgendwo in diesem Haus, und in der Garderobe, da flüstern sie: Dies und dies Kostüm, das ist noch von Gigi.“ Gigi, so wurde Gründgens genannt aufgrund seiner Initialen GG.

Gründgens, der Wiedergänger. Unerlöst kann er nicht in Ruhe tot sein. Glaubt man so manchen Ankündigungen, die über Kresniks Gründgens-Projekt, das am Sonnabend am Hamburger Schauspielhaus Premiere haben wird, in einer Vielzahl geschrieben und gesendet wurden, so ist Kresnik angetreten, Gigis Geist den Hamburgern auszutreiben. Lustvoll oder sorgenvoll wird da die exorzistische Orgie erwartet, ähnlich wie Kresnik es vor kurzem mit Ernst Jünger an der Berliner Volksbühne gemacht hat, in starken Bildern, wie man sie aus den vergangenen Inszenierungen seines choreografierten Theaters (den Begriff „Tanztheater“ lehnt er für sich ab), wie man es aus Meinhof oder Mars kennt.

Da überrascht es dann schon, wenn Kresnik sagt: „Ich werde kein Monster Gründgens auf die Bühne bringen.“ Natürlich zeigt er den politischen Opportunisten Gründgens, der von den Nazis seine Karriere anschieben ließ; den Gründgens, der seine Homosexualität verdrängte, und den Drogenabhängigen Gründgens. Aber gerade diese Aspekte gehören zu einem umfassenden Bild des ehemaligen Schauspielhaus-Intendanten ja auch dazu. Wilfried Schulz, Dramaturg der Produktion, sekundiert: „Wohl selten klaffen Mythos und Realität so sehr auseinander wie bei Gründgens.“ Da werde gerade der Mythos der realen Figur in keiner Weise gerecht.

Ob die Herrschaften, die die Premiere verließen, etwa wissen, daß GG als Intendant am Hamburger Schauspielhaus nur 65 Prozent Platzausnutzung geschafft hat? Kresniks Gründgens könnte eins der spannendsten Theaterereignisse des Jahres werden. Seine Ulrike Meinhof wird am 7. und 8. April auch am Schauspielhaus zu sehen sein. Dirk Knipphals

Schauspielhaus, Sa, 1. 4., 20 Uhr

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