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Archiv-Artikel

GENERATIONENFRAGE: JE ABSURDER DIE IDEEN, DESTO HEFTIGER DIE DEBATTE Unverrückbar verrückt

Nicht nur in Deutschland kursieren irritierende Nachrichten zum Thema Altern wie etwa die Idee des JU-Vorsitzenden, bei 85-Jährigen keine Hüftgelenke mehr einzusetzen. Auch aus Japan wurde gestern ein verrückter Vorschlag gemeldet. Der dortige Finanzminister, selbst 81 Jahre alt, will die japanischen Rentner auf den Philippinen ansiedeln. Sein Argument: In Japan würden immer mehr Menschen immer älter, aber die Jungen fehlten, um die Betagten zu versorgen. Warum also sollte man die Alten nicht ins Nachbarland exportieren, wo der Nachwuchs zwar zahlreich ist, aber keine Arbeit findet? Auf den zynischen Vorschlag antwortete die philippinische Präsidentin Arroyo pragmatisch: Japan sollte doch einfach die Einwanderung erleichtern, dann kämen bestimmt viele freiwillige Pflegekräfte ins Land.

Wie gesagt: ein verrückter Vorschlag. Aber er verrückt nicht unser Weltbild, kommt uns denkbar vor. Denn die Deutschen überlegen, wie sie die Last der eigenen Alten auf fremde Schultern verteilen können. Und diese fremden Schultern sollen fremd bleiben – wie in Japan ist hier die Zuwanderung unbeliebt. Real galt dies zwar schon immer, aber nun hat sich auch die Rhetorik gewandelt.

Als undenkbar erscheint inzwischen, jährlich 400.000 Ausländer willkommen zu heißen, die nötig wären, um unsere Alterspyramide zu stabilisieren. Derart viele Einwanderer nennt das DIW „Überfremdung“. Als sozial verträglich hingegen gelten ungefähr 200.000 Zuwanderer, das entspricht dem momentanen Zuzug pro Jahr. Und keinesfalls will man wahllos jeden nehmen, denn eine „Zuwanderung in die Sozialsysteme“, so das böse Wort, soll vermieden werden. Daher wird wachsam wahrgenommen, was die niederländische Regierung herausgefunden hat: Eine gering qualifizierte Einwandererfamilie mit zwei Kindern verursache etwa 230.000 Euro an sozialen Nettokosten. Umgekehrt, wieder eine deutsche Zahl, belasten qualifizierte Immigranten die Sozialsysteme weniger als gebildete Bundesbürger.

Der deutsche Traum sähe also etwa so aus: 200.000 hoch gebildete Einwanderer kommen jährlich nach Deutschland, um hier unsere Renten zu finanzieren und die Pflege zu übernehmen. Schade nur, dass es immer noch 200.000 Zuwanderer zu wenig wären – und außerdem gar nicht zu sehen ist, wo im Ausland derart viele Qualifizierte nur darauf warten, als Personal ins deutsche Altersheim einzudringen. Die deutschen Debatten sind nicht nur rund ums Hüftgelenk absurd; deswegen verstehen wir eine verrückte Meldung aus Japan auch so gut. ULRIKE HERRMANN