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Archiv-Artikel

GEHT’S NOCH? Die neuen Helden

NACHSCHLAG „Unsere Mütter, unsere Väter“ waren Opfer, das zeigten uns der Film und die Debatte danach. Jetzt fehlt noch der „Tatort“

Diese Friedensseligkeit des arischen Filmjugendquartetts! Mehr davon!

Nein, das kann es nicht gewesen sein: ein Dreiteiler, der „Unsere Mütter, unsere Väter“ so zeichnet, als seien diese nicht das Nationalsozialistische selbst gewesen, sondern diesem gegenüber Opfer in einem Spiel des Verhängnisses. Und dann eine Debatte in den Zeitungen plus Spiegel-Titelgeschichte. Da fehlt doch noch was, da geht noch was. Denn gibt es da nicht eine ästhetische Instanz, die der Deutschen wirkliche moralischen Nöte verhandelt? Ja, richtig: der „Tatort“. Das Thema „Unsere Vorfahren und der Nationalsozialismus“ muss Teil von dessen Agenda werden. Betreut und produziert von Nico Hoffmann, den nur Herzlose einen Schmonzetteur nennen.

Eine Agenda, die aus Menschenhandel, Zwangsprostitution oder sexuellem Misshandel besteht – das gruselt immer. Bald werden es die Kommissardarstellerinnen Maria Furtwänger, Sabine Postelt und Eva Mattes mit Fällen zu tun bekommen, die so naht- wie zwangslos das populäre NS-Thema (Versöhnung geht sehr wohl!) in ihre Fälle integrieren: Kriegskinder als die neuen Helden, die Traumatisierten. Das ließe sich prima miteinander verknüpfen, ein Deutschmischmasch an Angstlustangeboten, Missbrauch, Nazi und Generationenbrückenbau? Kommissarinnen, übernehmen Sie!

Tabu, ja, blind muss nur eines bleiben: Das, was „Unsere Mütter, unsere Väter“ nicht zeigten. Dass ebendiese Mütter und Väter den Nationalsozialismus mit ermöglicht haben, gut fanden und wollten, dass der Krieg zu ihren Gunsten ausgeht. Dass es gar keine Moral von heute gab, sondern nur eine, die in die damalige Zeit passte: Juden waren an und für sich Untermenschen. Und nicht der Krieg verrohte die Deutschen, sondern das, was sie politisch wollten, eben der Nationalsozialismus inklusive Holocaust.

Aber klar, es ist natürlich nicht schade, dass all das in dem Diskurs der vergangenen Wochen nicht Thema war: Bildlich wäre das sicher gar nicht darstellbar gewesen.

Aber das liebliche Gegenteil davon, diese fast Mutlangen-hafte Friedensseligkeit des arischen Filmjugendquartetts, das geht doch sicherlich noch geschichtsklittriger. JAN FEDDERSEN