GEGEN DIE NPD IN VORPOMMERN HELFEN NUR MEHR INVESTITIONEN : Folgen der politischen Landflucht
In Mecklenburg-Vorpommern haben die etablierten Parteien der NPD den Weg in den Landtag geebnet. Ihre Politik des Rückzugs hat die Räume eröffnet, die die Nazis nun ausfüllen. Es ist ein dreifacher Abschied: aus der öffentlichen Infrastruktur auf dem Lande, aus der regionalen Wirtschaft und aus der gesellschaftlichen Verantwortung der Parteien, die ja laut Grundgesetz angeblich an der politischen Willensbildung mitwirken.
An den nichts sagenden Wahlplakaten von SPD, Union und Linkspartei war abzulesen, was die etablierten Parteien ihren Wählern anzubieten haben: die Botschaft war ein leidenschaftsloses Weiter-So, regiert vom Sparzwang. Damit ist es der rot-roten Regierung nicht gelungen, den Menschen in Pommern ein echtes Angebot zu machen.
Das Asphalt gewordene Synonym dieser Politik ist die Küsten-Autobahn: Wer will, erreicht Berlin oder Hamburg nach 150 Minuten. In der Regionalpolitik spiegelt sich diese Haltung im Schlagwort von der „Zentralisierung“: Die Schule wird verlagert, die Kinder müssen in die Kreisstadt fahren. Unter den Augen des Bürgermeisters schließt das letzte Geschäft im Dorf, weil ihm die zahlungskräftige Kundschaft fehlt. Und während die NPD einen ganzen Landkreis zuplakatiert, stellen die angeblichen Volksparteien ihre Werbetafeln vornehmlich in der Hauptstadt auf. „Residual-Bevölkerung“ werden die verbliebenen Menschen in der Soziologie genannt – Zurückgebliebene, die rechtzeitig die Chance zur Abwanderung verpasst haben.
Einer anderen Politik müsste ein Mentalitätswechsel der Politiker vorangehen: Es lohnt sich, in ländliche Strukturen zu investieren. Dorfschulen, in denen alle Jahrgänge dieselbe Klasse besuchen, können funktionieren. Der Bäcker kann seinen Laden weiter betreiben, wenn ihm der Staat einen Gesellen finanziert. Und der Kreisverband der CDU kann der nationalen Plakatoffensive etwas entgegensetzen, wenn ihm die Landespartei das nötige Geld überweist.
Wie man ländliche Räume revitalisiert, dafür gibt es Vorbilder: Der Landkreis Lüchow-Dannenberg in Niedersachen, einst ähnlich abgehängt wie heute Ostvorpommern, hat es so zu einem erstaunlichen Wohlstand gebracht. Um das zu erreichen, müssten Landes- und Bundesregierung allerdings einige Millionen Euro in die Hand nehmen.
Die Parteien in Mecklenburg-Vorpommern haben nun die Wahl, entweder mehr Geld in die Zukunft des Landes zu investieren oder das Erstarken der NPD in Kauf zu nehmen. Die Verschuldung des Landes kann keine Ausrede dafür sein, diese Investitionen zu unterlassen. Denn mit jedem Jahr, das die Landesregierung abwartet, werden die Kosten für einen Kurswechsel höher. HANNES KOCH