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Archiv-Artikel

GEBONGT

VON FRANK SCHÄFER

Während Heinz beim ersten Blubbern des Bongs noch in Ausicht stellte, das Auto stehen lassen zu wollen, weil ihn erst neulich nach so einer „Friedenspfeife“ auf der Stadtautobahn ein weißes Segelschiff überholt habe, war später davon keine Rede mehr. Er habe sich „wieder nüchtern geraucht“, behauptete er, stand auf, ohne zu schwanken, suchte kurz seine Stiefel, „ach, ich war ja barfuß“, überprüfte im Flurspiegel den Sitz seiner Pink-Paisley-Bandana und war auch schon weg.

Die folgenden Ereignisse erzählte mir später eine Freundin, die halbtags in der Polizeidirektion die Ablage macht und sich gelegentlich festliest. Heinz war noch nicht auf der Stadtautobahn angelangt, da bedeutete ihm auch schon eine rote Kelle mit der Aufschrift „Polizei“, er möge anhalten. „Verdammte Inzucht“, schrie er mit einem Maß an Panik, das ihn nach der Mammutmischung beinahe selbst überraschte, stoppte jedoch vorschriftsgemäß, kurbelte die Scheibe herunter und flachste betont aufgeräumt. „Na Mädels, womit kann ich dienen?“

Die beiden älteren Hauptwachtmeister sahen sich kurz an, kamen dann aber mit leicht gebeugten Köpfen näher. „Entschuldigen Sie, dass wir Sie belästigen müssen, aber …“, sie drucksten herum, „wir haben eine Motorpanne. Könnten Sie uns vielleicht abschleppen zum Revier?“ Heinz riss sich jetzt zusammen, nickte freundlich, meinte, es sei ihm eine Ehre, „der Bullerei, oh … pardon“ einen kleinen Gefallen zu tun, und setzte dann vorsichtig zurück, direkt vor den maroden VW Santana. Die Beamten befestigten die Abschleppstange, stellten vorsichtshalber ihr Blaulicht an – und dann ging es auch schon los in Richtung Hauptquartier.

Heinz entspannte sich, schob siegessicher ein Grateful-Dead-Bootleg in das Kassettendeck und ließ sich hinforttragen von diesem sanften akustischen Fluidum. Das vom Adrenalin für einen Moment neutralisierte Dope erwischte ihn noch einmal voll. Hui, dieses Gefühl der absoluten Seinsharmonie, der trauten Verbundenheit mit „Mother Earth“. Er saß jetzt auf einer sommerlichen Blumenwiese, ein Pfauenauge setzte sich auf seinen Handrücken, ein Fuchs kam des Weges und fragte, ob er mal ein bisschen rücken könne. Gerade wollte Heinz ihn mit einem „Freund Reinecke, diese Wiese ist deine so gut wie meine“ willkommen heißen, da holte ihn lautes Hupen zurück ins Diesseits. Er war wohl nicht ganz geradeaus gefahren, und irgend so ein Blockwart musste ihn dafür zurechtweisen.

Heinz blickte verächtlich in den Rückspiegel, sah auf einmal das Blaulicht, und ihm blieb das Herz stehen. Die Bullen verfolgten ihn! Er gab Vollgas, jagte mit 120 km/h über die nächtlichen Straßen, überfuhr zwei rote Ampeln, nur um sie abzuschütteln, aber die beiden Grünen erwiesen sich als echte Profis. Was er auch versuchte, sie blieben ihm immer hart auf den Fersen. Nach einer guten halben Stunde gab er entnervt auf und fuhr endlich reumütig zur Wache, wo er sich von den beiden Beamten unterhaken und ganz ohne Widerstand in die Ausnüchterungszelle abführen ließ.