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GASTKOMMENTAREin Haushalt ohne Perspektive

■ Zur Debatte um den Bundeshaushalt im Deutschen Bundestag: Keine Chance für Ökologie und Arbeitslose

Haushaltsdebatten im Bundestag werden zur Generalabrechnung mit der Politik der Bundesregierung genutzt. Das ist gut so! Denn im Bundeshaushalt eines jeden Jahres werden die Prioritäten der Politik in DM-Beträgen festgeschrieben. Was von wem bezahlt wird, also Nutznießer und Belastete verzeichnet das dickleibige Hauhaltsbuch der Nation. Die viertägige Redeschlacht um den Bundeshaushalt für das Jahr 1989 hat trotz der vielen Nebelkerzen, die geworfen wurden, Aufklärung gebracht: Wem kommen die für 1989 geplanten Ausgaben von über 288 Milliarden Mark zugute und von wem werden sie finanziert?

Um mit einem entscheidenden Negativposten zu beginnen: Der Natur wird zur Linderung ihrer Wunden kaum Medizin aus dem Haushalt zugeführt. Die Konzentration der Ausgaben auf ökologische Projekte findet nicht statt. Dafür aber kann das Verteidigungsministerium, mit über 53 Milliarden Mark ausgestattet, in die Finanzierung des superverschwenderischen sowie zivil und militärisch gefährlichen Kampfflugzeugs „Jäger 90“ einsteigen. Auch eine ökologische Ausrichtung des Steuersystems ist nicht in Angriff genommen worden. Die Steuerpolitik zielt auf die weitere Stärkung der ohnehin Einkommensstarken. Nicht nur, daß nichts gegen die Umweltkrise mit diesem Bundeshaushalt unternommen wird. Seine Ausrichtung auf die Pflege der privatwirtschaftlichen Wachstumskräfte geht zu Lasten von Natur und Mensch.

Bei der Frage nach der Rolle dieses Bundeshaushalts im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit zeigen sich harte Fronten. Die Bundesregierung, geblendet von der spätsommerlichen Sonne am Konjunkturhimmel, sieht sich in ihrer Haushaltspolitik bestätigt. Dabei kamen die hohen Raten des wirtschaftlichen Wachstums in den ersten Monaten dieses Jahres für alle überraschend. Eines steht jedoch fest: Neben den ökologisch belastenden Folgen wird die hochgelobte Wachstumsstärke nicht verhindern können, daß auch in diesem Jahr die Zahl der arbeitslosen Menschen weiter steigt. Im nächsten Jahr aber nehmen die Risiken in der Wirtschaft und auf den Arbeitsmärkten erneut zu.

Mit dem geplanten Bundeshaushalt 1989 ist die Erhöhung einiger wichtiger konsumbelastender Verbrauchssteuern vorgesehen. Die staatliche Neuverschuldung soll wieder auf knapp 32 Milliarden Mark zurückgeführt werden. So überraschend es klingt: Die im Widerspruch zur Ideologie in diesem Jahr hingenommene Neuverschuldung von 40 Milliarden Mark hat global die Konjunktur gestützt. Freilich ist sie nicht zur Finanzierung vernünftiger Projekte genutzt worden. Der geplante Bundeshaushalt für das kommende Jahr, der die zweite und dritte Lesung überleben wird, ist perspektivlos. Die Instrumente der Finanzierung und Ausgaben werden für eine aktive Beschäftigungspolitik durch ökologische Investitionen in die Zukunft nicht genutzt. Rudolf Hickel

Mitglied der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

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