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GASTKOMMENTARBillige Kugelschreiber

■ Zur Olympia-Bewerbung Berlins

Fast hätte es keiner gemerkt: Berlin ist offizieller Kandidat für die Olympischen Spiele 2000. So mancher aus dem Olympia- Büro hätte sich lieber eine Kampfabstimmung gegen das Ruhrgebiet gewünscht, der ungeliebte Kandidat aus NRW hatte sich aber bereits vor Wochen weise verabschiedet. Wozu noch Olympia, dafür bleibt Bonn Regierungssitz! Mit der Olympia-Idee ist ohnehin nicht mehr viel los, »defizitäre Anabolika-Truppe« nannte Brandenburgs SPD-Finanzminister respektlos die Ex- DDR-Olympioniken. Und eine Neuauflage der »Friedensspiele« als Motto der Berlin-Bewerbung reißt nach der Einheit auch keinen mehr mehr vom Arbeitsamt-Hocker. Die Spiele der Bescheidenheit ohne erbarmungslosen Kampf um bessere Sportanlagen sind längst geplatzt. Statt dessen kann nun die olympische Prostitution beginnen, 67 Millionen sollen bis 1993 die Gunst des IOC erheischen. Aber nicht gute Absichten zählen, sondern harte Fakten: Berlin bietet 1993, in der Stunde der Entscheidung, ein baufälliges Olympiastadion, das für 120 Millionen Mark saniert werden muß, und eine gerade fertiggestellte Halle. Bei der hängt die Decke für Volleyball zu niedrig, und behindertengerecht ist sie auch nicht. Dazu kommen ein paar offene Baugruben und viele Broschüren. Das wird kaum überzeugen. Und sollte es besser auch nicht. Berlin hat andere Sorgen. Natürlich versucht die große Koalition mit lockenden Versprechungen das drohende Verelendungsgespenst aus Berlin zu verscheuchen. Allein den Berlinern fehlt der Glaube. Derselbe Kohl, der von Berlin aus nicht regieren will, soll für Olympia Milliarden spendieren? Statt billige Werbekugelschreiber auf der ITB zu verschenken, sollte der Senat nüchtern Bilanz zur Lage der Stadt ziehen. Hans-Jürgen Kuhn (Ex-Sportstaatssekretär der AL)

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