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GASTKOMMENTARVergangenheit, die nicht vergeht

■ Die CSFR müht sich mit der Aufarbeitung des totalitären Erbes

Die übereilte Entwicklung in den nachkommunistischen Ländern bringt ständig neue Phänomene hervor. Gleichzeitig jedoch befreit sie die Bürger nicht vor der immer noch sehr lebendigen Vergangenheit. Die häßlichen Überbleibsel des Totalitarismus zeigen sich nicht nur an den heruntergekommenen Städten, an veralteten Fabriken und an der Zerstörung der Umwelt. Viel tragischer ist, daß das realsozialistische System auch in Denken und Handeln, in Geist und Moral mehrerer Generationen seine Spuren hinterlassen hat. Trotz aller ökonomischen und politischen Probleme steht daher zunächst das Verlangen nach einer moralischen Reinigung der Gesellschaft, nach einer Befreiung vom „Dämon des Totalitarismus“ im Vordergrund. In der Tschechoslowakei nennen wir diesen Prozeß „lustrace“ — Durchleuchtung. Dessen Ziel ist klar definiert: Parlament, Regierung und andere staatliche Organe müssen von den Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes gesäubert werden.

In der ersten Runde, in der es um die Überprüfung des Parlaments und der Föderalregierung ging, erhielt das Mandat zur Durchleuchtung eine parlamentarische Kommission, die auch die Ereignisse des 17. November 1989 untersuchte. Am Ende des vergangenen Jahres gelangte ihnen eine mächtige Waffe in die Hand: die Register der Bände, in denen jeder, der seit 1954 (!) mit der Staatssicherheit zusammenarbeitete, verzeichnet ist. Angeblich sollen es 150.000 Namen sein.

Sobald jedoch die ersten Ergebnisse auf einer vom Fernsehen live übertragenen Parlamentsdebatte veröffentlicht wurden, zeigte sich auch eine Reihe von Problemen. Diese haben sich in der nun laufenden zweiten und wahrscheinlich letzten Runde der Durchleuchtung noch erhöht.

Auch die überzeugtesten Befürworter der Untersuchungskommission räumen ein, daß eine moralische und faktische Säuberung erst dann möglich wäre, wenn dafür ein gesetzlicher Rahmen geschaffen würde. Zu diskutieren ist auch das Mandat der Kommission, die die Namen der Beschuldigten veröffentlicht. Denn eine solche Veröffentlichung käme in der augenblicklichen Atmosphäre in der tschechoslowakischen Gesellschaft — und die sich auch in der Debatte im Parlament widerspiegelte — einer Anklageerhebung gleich. Ein Verdikt, das schwerlich durch das Argument, die Beschuldigten könnten sich ja vor einem ordentlichen Gericht verteidigen, entkräftet wird. Ein Verdikt aber auch, das ständige neue Spekulationen und sensationsheischende Vermutungen produziert.

Die parlamentarische Untersuchung endete in einer Atmosphäre voller Widersprüche und Ungereimtheiten. Einige Abgeordnete, die sich gegen die erhobenen Vorwürfe verteidigten und bemühten, ihre Unschuld zu beteuern, sitzen weiterhin im Parlament. Daraus entstehen nicht nur für sie, sondern auch für die anderen Abgeordneten eine Reihe von Verhaltensproblemen. Der Dämon der „lustrace“ hat seine Hörner gezeigt, und die werden immer größer. Wird er nicht in den Käfig des Gesetzes gesperrt, richtet er mehr Schaden als Nutzen an. Anna Smídová

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