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GASTKOMMENTARDrei Transall aus Bonn

■ Den von ihrer eigenen Regierung bedrohten Sudanesen muß sofort geholfen werden

Da ist er jetzt, endgültig, der Striptease unseres Humanismus. Aber anders, als ihn Jean- Paul Sartre vorausgesagt hatte. Vollmundig haben es uns die Politiker ins Gesangbuch gesungen: die Völker, nicht die Staaten, seien es, denen man helfen will. Pustekuchen: Kaum hat ein Volk seine Regierung verjagt und hat noch keine neue, gibt's gar nichts mehr — weder Hilfe noch Diplomatie. Das hat man in Liberia erlebt, in Somalia und jetzt wohl auch im Sudan. Alles gerät aufs tolldreiste durcheinander. Somalia ist geteilt, Äthiopien bekommt seinen Stiefbruder Eritrea, der Sudan ist schon lange zweigeteilt.

Sudanesen werden in Äthiopien von der OromoBefreiungsfront in ihren Lagern angegriffen. Sie fliehen und werden zur Begrüßung von ihrer eigenen Regierung bombardiert. Diese Sudanesen können weder vor noch zurück. Es ist ihnen nicht mehr erlaubt zu existieren. Der Bischof Paride Taban von Torit schrieb sich die Seele aus dem Leib: „Hundertfünfzigtausend Sudanesen werden rund um Nasir verrecken.“ Archäologen werden später die Gebeine numerieren.

Wohin mit den Hilfsorganisationen? Warum kümmern sich die Afrikaner nicht mehr um die, die vor ihren Augen verrecken? Warum tut dies nicht die OAU? Die Regierungen Afrikas kümmern sich pünktlich um Südafrika und Palästina. Daß ganze Völker ins Gras oder in den Sand beißen, interessiert sie einen Dreck. Warum haben die Leute der EPDLF-Tigrae-Bewegung in Addis nicht die Sudanesen geschützt? Warum haben sie den Oromos nicht verwehrt, die Flüchtlinge anzugreifen? Wie kommen die Hilfsorganisationen schnell zu den Krepierenden nach Nasir? Nur dann, wenn alle Organisationen ein Budget zusammenschmeißen, Flugzeuge chartern, von Bonn und Brüssel einige Transall bekommen und losfliegen. Und zwar mit der gleichen Beherztheit, mit der die UNO jetzt unter der Resolution 688 im Nordirak tätig wird. Sind Afrikaner weniger wert als Kurden?

Die Regierungen Ostafrikas verdienen an solchen internationalen Hilfsaktionen ein Heidengeld und haben auch noch die Chuzpe, darüber zu verhandeln. Die Sudan-Regierung will nicht zulassen, daß die Flugzeuge mit Nahrung für die Hungernden von Nairobi aus starten. Wetten, daß die Bonner Regierung nicht mit der Streichung der Entwicklungshilfe droht. Aber ich verlange, daß die EG in Khartum den Abbruch der Hilfe bekanntgibt, falls nicht sofort die Flüge von Nairobi aufgenommen werden. Von Genscher und Stoltenberg erwarte ich, daß sie uns drei Transall für eine Operation geben, die in 14 Tagen das Schlimmere verhindern kann. Zehntausende sind schon gestorben. Rupert Neudeck

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