GASTKOMMENTAR: Auflösung mit europäischem Beistand
■ Der „Kompromiß“ mit Belgrad ist ein Sieg für die Slowenen
Die Slowenen haben einen großartigen Sieg errungen: für sich, aber auch für all die anderen Bürger und Völker, die unter dem Zustand Jugoslawiens leiden und eine europäische Lösung suchen. Durch ihre entschlossene Abwehr der Aggression der jugoslawischen Armee haben sie die europäische Öffentlichkeit, die europäischen Politiker und damit auch die europäischen Kriterien in den zerstrittenen Vielvölkerstaat geholt. Hoffentlich endgültig. Denn ohne beratenden Beistand des Westens können die Probleme des sich auflösenden Staates friedlich nicht gelöst werden.
Der Hauptgrund dafür liegt darin, daß die politischen Eliten, aber auch andere politische Gruppierungen sowie die Völker selbst zu so wenig solidarischem Verhalten fähig sind, daß es ihnen nicht einmal gelingt, gemeinsam für ihre eindeutig gleichen Interessen politisch zu kämpfen — und das heißt, die satrapisch-kommunistische Zentrale in Belgrad und deren Symbiose mit dem hegemonialen serbischen Nationalismus zu bekämpfen. Wenn sich jetzt beispielsweise die Slowenen beklagen, sie hätten zu wenig Beistand von den Kroaten bekommen, dann muß man auch darauf hinweisen, daß sowohl Slowenen wie auch alle anderen Republiken Kroatien ein Jahr lang im Stich gelassen haben und niemand auch nur versucht hat, Kroatien bei der Bekämpfung des beispiellosen Terrors der serbischen Extremisten zu helfen. Es gab die typisch vieldeutigen Anordnungen des Staatspräsidiums, die beliebig auslegbar sind, mit beschlossen damals von dem slowenischen Präsidiumsmitglied Drnovsek, genauso wie die heutigen von dem Kroaten Mesic. Einen Unterschied gibt es allerdings: Mesic hat diesmal für eine wichtige Eindeutigkeit gesorgt, indem er sagte, daß es selbst nach dem Verstreichen des Ultimatums und auch sonst keinen Waffengang mehr geben wird.
Ich kann zwar nachvollziehen, daß die Slowenen und Kroaten sich ohne Rücksicht auf die anderen von Jugoslawien befreien möchten, daß sie nicht mehr warten können. Aber pragmatisch- politisch gesehen, führt solches Verhalten in eine Katastrophe. Mit europäischem Beistand könnten die Slowenen und Kroaten ihre legitimen Interessen wahren, ohne daß das auf Kosten der anderen — Kosovo-Albaner, Mazedonier, Moslems und (trotz allem) auch der Serben — geschieht. Europa muß den beiden nordwestlichen Republiken auch weiterhin den Rücken stärken und zusammen mit allen anderen demokratischen und europäisch orientierten Kräften des Vielvölkerstaates nach einer stabilen Neuordnung suchen. Die Internationalisierung und Europäisierung des Konflikts ist eine lang herbeigesehnte Wende in der jugoslawischen Agonie und ein Verdienst des mutigen Handelns der Slowenen. Die Slowenen haben mit dem „Kompromiß“ von Brioni keineswegs eine Niederlage eingesteckt — es sei denn, sie dachten tatsächlich, wie ihr Informationsminister sagte, sie hätten tatsächlich mit ihrem Sieg gegen die jugoslawischen Generäle, die an der Grenze einen Zustand von vor Jahren wieder durchsetzen wollten, automatisch eine slowenisch-österreichische Staatsgrenze geschaffen. Dunja Melcic
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