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GASTKOMMENTARDemokratie ist...

■ ... wenn ein Jude die deutsche Einheit positiv, negativ oder gleichgültig betrachtet

Die Juden hätten die deutsche Einheit nicht unterstützt — so der Vorwurf des deutschen Kanzlers. Traditioneller Antisemitismus, die Juden als Verräter, Störenfriede, eigentlich nichts Neues: daß Helmut Kohl kein Geschichtsbewußtsein besitzt, weiß man spätestens seit Bitburg. Doch zeigt sein Verhalten einen weiteren Mangel, der nicht nur Juden betrifft: sein Demokratieverständnis. Ja, es gab Juden, genauso wie es viele andere Menschen außerhalb und sogar innerhalb Deutschlands gab, die die Einheit befürchtet haben. Über diese Reaktion kann man streiten, sie war jedoch angesichts der deutschen Vergangenheit keineswegs unverständlich, sondern eine durchaus rationale, begründete und begründbare Sichtweise. Es gab Leute, die sich gefragt haben, was eigentlich daran so schlimm wäre, wenn es weiter zwei deutsche Staaten gäbe, nach dem bekannten Motto: Ich mag Deutschland so sehr, ich möchte gleich zwei davon haben. Und hat der Kanzler schon vergessen, daß er selber vor zwei Jahren eine Konföderation vorschlug, weil damals die Einheit noch kaum vorstellbar schien?

Lassen wir hier die Tatsache beiseite, daß die Deutschen jetzt selber im Begriff sind mitzubekommen, wie wenig Einheitliches zwischen ihnen besteht. Wichtiger ist die Frage: Wie kann der Kanzler einer Demokratie jemandem zum Vorwurf machen, daß der von seinem demokratischen Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch macht? So ist auch Heinz Galinskis Reaktion — stellvertretend, wie er es versteht, für alle deutschen Juden — verständlich, aber falsch. Die anbiedernde Versicherung, „wir“ standen doch alle hinter der Einheit — hätten sozusagen die richtige Einstellung —, ist nicht nur nachweislich falsch, sie geht auch auf gefährliche Weise am Wesentlichen vorbei. Wenn es soweit ist, daß Juden oder irgendeine andere Gruppe sich für eine abweichende Meinung entschuldigen oder sie gar verleugnen müssen, dann gibt es keine Demokratie mehr.

Vielleicht soll man Herrn Kohl daran erinnern: In einer Demokratie hat jeder das Recht, eine Meinung zu haben und zu äußern, solange er gegen kein Gesetz verstößt. Dies gilt erst recht für unpopuläre Meinungen. Auch Juden dürfen der Einheit positiv, negativ oder volkommen gleichgültig gegenüberstehen, je nach Lust und Laune. Denn daß die Zeit der Hofjuden vorbei ist, sollten sowohl Kohl wie Galinski inzwischen begriffen haben. Belinda Cooper

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