GASTKOMMENTAR: Kein Frieden ohne Freiheit
■ Es wird in Südafrika bald Verhandlungen geben, aber unter strengeren Vorzeichen
Seit dem Zusammenbruch der Gespräche im Mai und dem Massaker von Boipatong beherrscht Unsicherheit das Land. Die Wirtschaft ist in Panik, weil das Land keinen Ausweg aus der schwersten Rezession seit über 50 Jahren findet. Obwohl das Regime selbst in Formen von Gewalt, Mord und Korruption verwickelt ist, die lateinamerikanische Diktatoren vor Neid erblassen lassen, sah es sich bisher nicht gezwungen, Rechenschaft für seine Verbrechen abzulegen, weder national noch international. Seit Jahresbeginn kamen 1.806 Menschen ums Leben, allein im letzten Monat starben 373 Menschen durch politische Gewalt. Es scheint kein Ende für dieses Bluten zu geben, weil die Regierung unfähig oder unwillig ist, die Verantwortung für die öffentliche Ordnung zu tragen.
Der Generalstreik von dieser Woche sendet daher ein wichtiges Signal an die Regierung de Klerk. Von Februar bis Mai setzte der ANC auf Kompromiß und Verhandlungen im Geiste guten Willens, um eine Einigung darüber zu erzielen, wie Südafrika vor den Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung regiert werden könne. Massenproteste waren nie ein Stolperstein für Verhandlungen. Hauptgrund für Proteste war immer das mangelnde Engagement der Regierung bei der Verhinderung von Gewalt und ihr Wunsch nach bloßem Machterhalt. Diese Logik ist nicht aufgegangen, langsam scheint die Regierung de Klerk das zu begreifen. Es wird also bald Verhandlungen geben, jedoch in einem strengeren Klima. Nicht länger wird die Regierung mit dem Verhandlungsprozeß spielen können. Und wenn sie die Gewalt nicht kontrollieren und die Polizeikräfte restrukturieren kann, dann wird man eine internationale Überwachung brauchen.
Diejenigen in der internationalen Gemeinschaft, die immer noch glauben, de Klerk selbst könne die Übergangsperiode fair und unparteiisch leiten, brauchen sich nur die unzähligen Skandale der letzten Wochen anzusehen. Es kann keinen Frieden ohne Freiheit und Demokratie geben. Die jetzige Krise ist daher immer noch eine von Apartheid verursachte und genährte. Gerade angesichts dessen, was in Bosnien geschieht, bleibt wichtigster Wunsch hier, daß Kooperation und Antirassismus und nicht Ethnizität und die ihr inhärente Gewalt das Fundament der Zukunft bilden. Je früher es Freiheit in Südafrika gibt, desto schneller kann der Wiederaufbau beginnen und kann Rassenherrschaft da landen, wo sie hingehört — auf den Müllhaufen der Geschichte. Kader Asmal
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